Das Hexen-Amulett (German Edition)
Körpern anderer. Sie fürchtete den Moment, der immer näher rückte, die Hochzeitsnacht, und ahnte, dass Toby sie hierhergeführt hatte, um ihr diesen Schrecken zu nehmen.
Er grinste. «Dir ist heiß.»
«Nein.»
«Mir ist jedenfalls so heiß, dass ich jetzt schwimmen gehe.»
Er stand auf, ging ein paar Schritte zur Seite und zog sich aus. Sie starrte in die vor Hitze flirrende Luft über dem mit Mohnblumen durchsetzten Gerstenfeld jenseits des Wasserlaufes. Ihr war bewusst, dass sie sich töricht verhielt, aber sie konnte nicht anders.
Toby lief los – ein weißer Schatten am Rand ihres Gesichtsfelds – und warf sich ins Wasser, johlte vor Vergnügen und ließ eine glitzernde Fontäne aufspritzen. Dann stand er, bis zur Brust eingetaucht, in der Mitte des Flusses und wischte sich das Wasser aus den Augen. «Es ist herrlich. Komm rein.»
«Ist mir zu kalt.»
«Es ist erfrischend.»
Sie sah die noch immer blau angelaufene Schulter, das verunstaltete Gelenk. «Hast du deinen Handschuh noch an?»
«Komm rein und sieh selbst nach.» Er grinste ihr zu, tauchte unter und ließ sich mit dem Wasser treiben, bis er hinter einem Gestrüpp von Brennnesseln verschwand. «Du kannst jetzt kommen», rief er. «Von hier aus sehe ich nichts.»
«Das hast du letztes Jahr auch gesagt.»
Er lachte. Dann war es still.
Die Hitze machte ihr zu schaffen. Das Kleid klebte auf der juckenden Haut. Die Luft zitterte über der Gerste, Mohn- und Kornblumen leuchteten im grellen Sonnenlicht.
Sie hatte Lust zu schwimmen, sie erinnerte sich gut daran, was für eine Wonne es war, im Bach von Werlatton zu baden. Sie wollte die Wellen auf der Haut spüren, vielleicht würde das kühle Wasser die Schändung durch Herveys Hand abspülen. Sie wartete auf ein Wort von Toby, hoffte, dass er sie noch einmal bäte, doch es blieb still. «Ich bleibe!», rief sie stattdessen.
«Gut. Wie du möchtest, meine Liebe.»
Sie lauschte, aber mehr war von ihm nicht zu hören. Er war auch nicht mehr zu sehen. Sie wartete. «Wo bist du?»
«Hier.»
Sie stand auf, ging auf das Gestrüpp zu und entdeckte ihn zwanzig Schritt weiter unten im Wasser. Er lachte.
«Schwimm weiter weg», rief sie und deutete auf eine Stelle, wo der Fluss hinter dichten Weiden und Kreuzdornbüschen verschwand.
«Warum sollte ich? Du willst ja nicht ins Wasser.»
«Vielleicht ja doch.»
Er setzte eine pflichtschuldige Miene auf, drehte sich um und schwamm ein paar Züge. «Weit genug?»
«Nochmal so weit. Na los!»
Lachend gehorchte er und zog sich hinter die Büsche zurück. Sie wartete einen Moment, um sich zu vergewissern, dass er nicht wieder auftauchte, ging dann an die Stelle zurück, wo er seine Kleider mitsamt dem goldenen Siegel achtlos abgelegt hatte, und blickte auf das glitzernde Wasser. Es drängte sie, in den Fluss zu steigen, nicht nur zur Erfrischung, vor allem hoffte sie, den Schatten abstreifen zu können.
Sie lief wieder zu den Brennnesseln hin und hielt nach Toby Ausschau. «Und wenn mich jemand sieht?», rief sie.
Er antwortete nicht.
Als sie wieder bei seinen Kleidern, dem Lederrock und Schwert angekommen war, schaute sie sich nach allen Seiten um. Es war keine Menschenseele zu sehen. Sie überlegte, ob es möglich wäre, kurz ins Wasser zu springen und wieder angezogen zu sein, ehe Toby hinter den Büschen zum Vorschein käme.
Eins der Pferde hob den Kopf und warf ihr einen Blick zu, der sie verlegen machte. Sie starrte wieder auf den Horizont, auf den Waldrand, der eine halbe Meile entfernt war, und suchte den Flusslauf ab.
Wenn sie früher ein Bad im Bach genommen hatte, hatte sie Angst vor Matthew Slythe und seinem Ledergürtel gehabt. Als sie jetzt Schuhe und Strümpfe auszog, die Schürze ablegte und das Kleid aufschnürte, spürte sie eine ganz andere Angst. Sie hielt inne, duckte sich und spähte nach allen Seiten. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, sie hörte das Blut in den Ohren rauschen. Schnell streifte sie das Kleid über den Kopf, warf es neben Tobys Sachen und nestelte an den Bändern des Unterrocks. Sie spürte die heiße Sonne im Nacken, ließ den Unterrock fallen und rannte zum Fluss, um sich in seinen Wellen zu verbergen.
Es war genauso wie damals, so rein, so kühl, so wohltuend. Sie fühlte sich vom Wasser überall umschmeichelt und empfand eine Freude, die alles andere vergessen ließ. Den Kopf untergetaucht, schwamm sie unbeholfen bis in die Mitte des Flusses hinaus und spürte die Strömung auf sich einwirken. Es war
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