Das Hexen-Amulett (German Edition)
Euch vor, was ich einem lebendigen Leib antun könnte, Mr Slythe.»
Devorax wischte mit Daumen und Zeigefinger den stinkenden Schleim von der Klinge, trocknete sich die Hand an der Mähne des Pferdes und steckte das Schwert in die Scheide zurück. Seine beiden Gefolgsleute grinsten, während Ebenezers Männer wie ihr Herr mit entsetzter Miene auf den zerhackten Leichnam starrten. Der Gestank war fürchterlich. Devorax trabte an Ebenezers Seite. Er wirkte so entspannt und ruhig wie vor dem grausigen Schauspiel. «Kann ich Euch vertrauen, Mr. Slythe?», fragte er und griff nach der Flasche.
Ebenezer Slythe reagierte auf sonderbare Weise. Er lachte. «Ihr könnt mir vertrauen, Devorax», antwortete er, ohne den Blick von der Leiche am Boden abzuwenden, über die sich nun die Krähen hermachten. «Wie gedenkt Ihr mir das Mädchen und das Siegel auszuliefern?»
Mit geschlossenen Augen leerte Devorax seine Flasche und schleuderte sie dann fort. «Kein Problem. Für den Fall, dass das Mädchen nicht kommt, hätte ich noch andere Abdrücke des Siegels zu bieten, mit denen sich alle nötigen Dokumente beglaubigen ließen. Aber sie wird kommen.» Er grinste. «Sie kann mich zwar nicht leiden, aber sie vertraut mir und glaubt, dass ich die Siegel für sie beschaffe. Sie wird keine Schwierigkeiten machen, wohl aber Sir Grenville. Vermute ich richtig, dass er zwei Siegel in seinem Besitz hat?»
«Ja, und die sind streng bewacht.» Ebenezer ließ die Schultern hängen. Er mochte selbst nicht daran glauben, dass es gelingen könnte, Sir Grenville die beiden Siegel abzujagen. «Ich komme nicht einmal in ihre Nähe.»
«O doch, das werdet Ihr.» Devorax schien Ebenezers Bedenken nicht ernst zu nehmen. Er holte eine neue Flasche aus der Satteltasche und zog den Korken. «Ich verfüge über ein Schiff und schlage vor, dass wir Sir Grenville und das Mädchen an einen entlegenen Küstenflecken locken, ihnen die Siegel abnehmen und dann nach Amsterdam segeln. Ganz einfach.» Er grinste.
Ebenezer schüttelte den Kopf. «Sir Grenville würde nie mit seinen Siegeln das Haus verlassen.»
Devorax sagte nichts. Der Regen rann ihm in Strömen über das Gesicht, über Lederwams und Stiefel. «Wovor hat er Angst?», fragte er schließlich.
Ebenezer blickte zu den grauen Wolken empor. «Davor, dass ein anderer die Siegel an sich bringt.»
Geduldig wie ein Lehrer mit seinem Schüler fragte Devorax: «Dorcas hat doch das Lukas-Siegel, nicht wahr?»
«So sagtet Ihr.»
«Und das Siegel des Apostels Matthäus war über mehrere Monate in ihrem Besitz. Angenommen, Sir Grenville erführe, dass sie Wachsabdrücke davon gemacht hat. Sie hätte dann doch so gut wie zwei Siegel, richtig?»
Ebenezer nickte.
«Außerdem wäre da noch, wie Ihr Euch erinnert, ein viertes Siegel. Angenommen, Sir Grenville müsste befürchten, dass Aretine noch am Leben ist und sich mit seiner Tochter in Amsterdam trifft.» Devorax hob die linke Hand und zählte an drei Fingern ab: «Matthäus, Lukas und Johannes.» Er grinste. «Glaubt Ihr nicht auch, dass Sir Grenville alles daransetzen wird, das Mädchen aufzuhalten? Und dass er sich selbst auf den Weg macht, weil er nicht riskieren kann, dass ein anderer drei Siegel zusammenbringt?»
Ebenezer grinste. Er war angetan von der Eleganz des Vorschlags, sah aber auch Schwierigkeiten. «Hat das Mädchen tatsächlich Abdrücke vom Matthäus-Siegel gemacht?»
«Nein, aber ich weiß von ihr, dass Ihr, Mr Slythe, nach ihr im Besitz dieses Siegel wart.» Seine grauen Augen blitzten amüsiert. «Seid Ihr auch so ehrlich damit umgegangen?»
Ebenezer grinste wieder und nickte. «Zugegeben, ich habe Abdrücke gemacht.»
«Gut. Dann berichtet Sir Grenville von mir. Gebt ihm den halben Abdruck des Lukas-Siegels und den ganzen des Matthäus-Siegels. Sagt ihm, Ihr hättet mich gedungen, damit ich Lopez betrüge. Sagt ihm die Wahrheit, nur eines verschweigt ihm.»
«Dass Ihr ihn töten werdet?»
«Dass ich ihn töten werde.» Devorax lachte. «Gebt ihm die Siegel, Mr Slythe, und nennt ihm Lopez’ Adresse. Er wird Euch glauben.»
Regen tropfte von Ebenezers Hutkrempe. Sein Mantel war durchnässt. «Wie überzeuge ich ihn davon, dass Aretine lebt?»
«Das braucht Ihr nicht. Ich werde ihn davon überzeugen», antwortete Devorax. «Vor zwei Tagen, Mr Slythe, hat das für dieses Jahr letzte Schiff aus Maryland im Hafen festgemacht. Übermorgen werde ich Sir Grenville den Beweis liefern, dass sich Aretine in der Stadt
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