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Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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doch bloß dreißig Jahre jünger, dachte er und ging schmunzelnd auf sein Haus zu. Er beneidete die junge Frau, deren erregtes Mienenspiel deutlich machte, dass sie neu in London war. Ihr stand eine erlebnisreiche Zeit bevor, während er die großartige Stadt verlassen musste.
    Mrs   Pierce öffnete ihm die Tür. «Master.» Sie nahm ihm Hut und Stock ab. «Master Toby ist oben.»
    «Ist er das? Gut.» Sir George warf einen Blick ins Treppenhaus. Es galt, seinen Sohn vor der Rache der Heiligen zu beschützen und innerhalb der nächsten sechs Tage in Sicherheit zu bringen. Er würde ihn nach Lazen zurückschicken und ihm später folgen. Langsam stieg Sir George die Treppe hinauf.

    Campion sah den älteren Herrn, der ihr mit erhobenem Stock einen Gruß entrichtete, und fast hätte sie ihm zugelächelt. Aber ihre Furcht vor der großen Stadt, ihre Sorge angesichts des Unbekannten, das sie erwartete, überwog, und der Moment ging vorüber.
    Sie war in London, und dass sie es bis hierher geschafft hatte, erstaunte und beängstigte sie zugleich.
    Ein Kind, das in übertriebener Strenge erzogen wird und erfährt, dass jede auch noch so unschuldige Regung von den Eltern als sündig gebrandmarkt werden und Strafe nach sich ziehen kann, entwickelt schon früh ein Geschick für praktische Schliche und Listen. So war es auch bei Campion. Diesem Geschick verdankte sie es, so weit gekommen zu sein.
    Und einer guten Portion Glück. Sie hatte einen Tag lang gewartet und war dann am frühen Morgen, noch bevor es dämmerte, aus dem Haus geschlichen, gekleidet in ein schlichtes Gewand und bepackt mit einem Bündel, in dem sie Brot und Käse, Münzen und ein zweites Kleid mit sich trug. Das Siegel hing, unter dem Mieder versteckt, an ihrem Hals. Die perlenbestickten Handschuhe und der Brief steckten im Bündel.
    Bebenden Herzens und voll freudiger Erwartung war sie nach Osten gegangen, in Richtung der aufgehenden Sonne. Zwei Stunden später, als helles Tageslicht über Wiesen und Wälder flutete, war ihre Hochstimmung verflogen. Sie wanderte durch ein geschütztes Tal und überquerte gerade einen kleinen Fluss, als plötzlich ein zerlumpter Bettler vor ihr auftauchte. Wahrscheinlich hatte er ihr nichts tun wollen, doch der Anblick seines bärtigen Gesichts, seine knarzige Stimme und die knochige Hand, die er nach ihr ausstreckte, jagten ihr einen so großen Schrecken ein, dass sie Hals über Kopf davonrannte. Danach ließ die Angst sie nicht mehr los, und auf Schritt und Tritt witterte sie Gefahr.
    Eine Stunde später, als sie bereits müde und mutlos geworden war, begegnete ihr eine Bäuerin auf einem mit Flachs beladenen Pferdekarren. Sie bot ihr an, mitzufahren, und obwohl die Frau in südöstlicher Richtung unterwegs war, nahm Campion die Einladung an, weil sie sich an der Seite der Frau geschützt wähnte. Campion erzählte ihr, dass sie zu ihrem Onkel nach London müsse, um dort für ihn zu arbeiten, und als die Frau fragte, warum sie allein reise, erfand Campion eine Geschichte: Ihre kranke Mutter sei aus ihrer Hütte vertrieben worden und erhoffte sich nun von ihr, ihrer Tochter, dass sie im Dienst des Onkels für den gemeinsamen Lebensunterhalt sorgte. Die Bäuerin glaubte ihr und hatte Mitleid. Als sie ihr Ziel bei Winterborne Zelston erreichte, kümmerte sie sich um Campions Weiterfahrt.
    In dem Dorf machte gerade ein Fuhrwerker Station, der, von seiner Frau begleitet, mit Maultieren auf dem Weg nach Southampton war. Die Bäuerin sprach ihn an und verabredete mit ihm, dass er Campion ein Stück Wegs begleitete. Der Fuhrwerker war, wie viele seiner Zunft, puritanischen Glaubens, was Campion hoffnungsvoll stimmte, denn sie wusste, dass Puritanern, so engstirnig und grausam sie auch sein mochten, durchaus vertraut werden konnte. Als die Frau des Fuhrwerkers Campions Geschichte hörte, war sie gerührt und sagte: «Armes Ding. Am besten wäre, du kommst mit nach Southampton und reist von dort nach London weiter. Der Weg ist sicherer.»
    Im Verlauf dieser ersten Nacht, die Campion zusammen mit einem Dutzend anderer Frauen im Schankraum eines Gasthauses verbrachte, sehnte sie sich nach Werlatton zurück. Es war eine schäbige Herberge, deren Besucher allem Anschein nach Anhänger des Parlaments waren, denn an den Wänden klebten Plakate, die den Puritanern im Kampf gegen den König den Sieg versprachen. Als Campion austreten musste, wurde sie nach draußen in einen offenen Schweinestall geschickt. Ihr war elend zumute. Sie hatte

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