Das Hexen-Amulett (German Edition)
außer, dass er mit Campion zusammen sein wollte. Auch die ablehnende Haltung seines Vaters war für ihn ohne Belang. Er hatte sie am Ufer des Baches zum ersten Mal gesehen, war augenblicklich für sie entflammt und voller Bangen gewesen, dass sie ihn womöglich nicht wiedersehen wollte. Er hatte sich dafür verflucht, nach London abgereist und nicht zu ihr zurückgekehrt zu sein. Als unverhofft ihr Brief kam, hatte er das Haus seines Vaters sofort verlassen und war zu ihr geeilt. Ein Leben ohne sie konnte er sich nicht mehr vorstellen. Der Vater missbilligte seine Liebe, was auch von der Mutter zu erwarten war. Campions Stand und Ausbildung sprachen gegen sie. Doch das kümmerte Toby nicht. Er fühlte sich unwiderstehlich zu ihr hingezogen, und allein der Gedanke an sie ließ die düstere Gasse für ihn in hellem Licht erscheinen.
Er spürte das Siegel unter seinem Hemd und tastete mit der Hand danach. Es hatte ihre Haut berührt und berührte nun seine, was ihm in seiner Verliebtheit wie ein Versprechen großen Glücks anmutete.
Er lehnte an der Wand und träumte von einer unbeschwerten Zukunft, als er seine Liebste plötzlich schreien hörte. Er schreckte auf, blickte zum Fluss hinunter und erhaschte einen Ausschnitt des silberblauen Umhangs im Heck des Bootes, das sich, von kräftigen Ruderschlägen angetrieben, rasch entfernte.
«Campion!» Er rannte ans Ufer. Doch sie war schon entschwunden, von der Strömung fortgetragen. «Fährmann! Fährmann!»
Verdammt! Wenn man dringend ein Boot brauchte, war keines zur Stelle.
Er hastete durch die Gasse zurück. Seine Stiefelschritte hallten laut von den Mauern wider. An der Straßenecke angelangt, versuchte er nachzudenken, wo sich die nächste Anlegestelle flussabwärts befand. Exeter Street! Die Temple Stairs! Er rannte los, gehetzt von der Vorstellung, dass sich seine Liebste mit jeder Sekunde weiter von ihm entfernte.
Scammell! Der steckte dahinter. Toby hatte sich von Campion die ganze Geschichte mehrmals erzählen lassen und nach Auswegen aus den juristischen Verflechtungen von Testament, Bund und Ehevertrag gesucht. Und während er nun durch die Menge der Passanten drängte, versuchte er, sich an den anderen Namen zu erinnern, von dem in Campions Brief die Rede war. Lopez. Vielleicht hatte der sie entführt. Toby musste sich entscheiden, und sein Instinkt sagte ihm, dass er nach Scammell suchen musste, um Campion zu retten. Er baue Boote, hatte sie gesagt, und die prächtige Barke, auf der sie verschleppt worden war, mochte durchaus aus seiner Werkstatt stammen.
Er bog vom Strand ab, prallte mit einem dickleibigen Händler zusammen, der sich lauthals beschwerte, und eilte dann die Stufen der Exeter Street hinab zum Pier, vor dem sich eine lange Warteschlange für die nächste Fähre gebildet hatte.
Plötzlich versperrte ihm ein Soldat mit Brustpanzer und Pike den Weg. Zwei weitere tauchten hinter ihm auf. «In Eile, Freundchen?»
«Ja!» Verdammt. Eine Patrouille! Eine der vielen, die das Parlament ausgeschickt hatte, um nach Deserteuren zu fahnden.
Die drei hatten ihn umzingelt. Das Volk ringsum wich aus, um selbst nicht behelligt zu werden. Der Soldat, der ihn aufgehalten hatte, musterte Toby von Kopf bis Fuß. «Wer bist du?»
Toby überlegte nicht lange und nannte den Namen, der ihm als Erstes in den Sinn kam. «Richard Cromwell, Oliver Cromwells Sohn.»
«Und warum so eilig?» Verunsichert krauste der Soldat die Stirn.
«Ich bin in einer dringenden Sache für meinen Vater unterwegs.»
«Lass ihn laufen, Ted», empfahl einer der beiden anderen Soldaten.
Ted aber zögerte. «Rote Haare.» Er rümpfte die Nase. «Groß gewachsen und rote Haare. Danach sollen wir suchen.» Er langte an Tobys Kopf und riss ihm die Lederkappe herunter. «Na bitte. Rote Haare.»
Der erste Soldat staunte, schien aber immer noch unsicher zu sein. «Lazender?»
Toby rang sich ein Lächeln ab. «Mein Name ist Richard Cromwell. Bringt mich zu Euerm Hauptmann. Wie heißt er?»
Der Angesprochene trat unruhig von einem Bein aufs andere. «Ford, Sir. Captain Ford.»
«Ah, Ford!» Toby lachte. «Den kenne ich. Na los, gehen wir zu ihm. Kommt! Ihr habt eure Pflicht zu erfüllen.» Er lächelte dem ersten Soldaten zu. «Wie ist dein Name?»
«Wiggs, Sir. Edward Wiggs.» Es schien, dass er sich geschmeichelt fühlte.
«Bringen wir es hinter uns, Wiggs. Umso schneller kann ich die Sache für meinen Vater erledigen.»
Wiggs hätte Toby wohl auf der Stelle gehen lassen, aber
Weitere Kostenlose Bücher