Das Hexen-Amulett (German Edition)
ihr keine Gedanken.» Er lachte. Auf das, was er in dieser Nacht getan hatte, drohte ihm der Galgen, und noch waren sie den Wachen vor der Stadt nicht entkommen. Der Vorsprung vor ihren Verfolgern betrug nur ein, zwei Stunden. «Wir fahren nach Lazen. Nach Hause.»
Es schien, dass sie schluchzte, doch dann sah er sie lachen. Sie waren frei.
12
Der günstigste Weg nach Lazen Castle führte durch das hügelige Weideland im Norden, das von flachen Auen durchzogen wurde, durch die, von Weiden und Erlen gesäumt, Lazens Bäche sprudelten. Hinter einer letzten Anhöhe schließlich öffnete sich das Tal und gab den Blick auf das Schloss frei.
Auf dieser Straße führte Toby Campion und Mrs Swan in der ersten Septemberwoche nach Lazen Castle. Von Abenteuerlust gepackt, hatte Mildred Swan darauf bestanden, die beiden zu begleiten. «Es ist nicht auszumalen, was euch zustoßen könnte, wenn ihr nicht von einer erfahrenen Person begleitet werdet», hatte sie erklärt, doch Campion vermutete, dass ihre gute Wirtin vor allem reiselustig war. Sie hatte die Wahrheit über Campions missliche Lage verständnisvoll aufgenommen und ihre Sorgen um die angeblich kranke Mutter erleichtert in den Wind geschlagen. «Du konntest eben niemandem trauen, meine Liebe, das war schon recht so.»
Den Fangarmen der Londoner Garnison zu entkommen war heikel gewesen. Zwei Tage lang hatten sie nur auf Nebenstraßen wandern können. Doch je näher sie Oxford kamen, desto schneller kamen sie voran. Als ihnen einmal eine königliche Patrouille den Weg verstellte, konnte Toby einen Passierschein der Royalisten vorlegen, der akzeptiert wurde. In Oxford bestiegen Campion und Mrs Swan eine Postkutsche nach Westen. Toby kaufte sich von Campions Geld ein Pferd, und nun, sechs Tage später, standen sie auf der Anhöhe und blickten auf Lazen herab.
Mrs Swan rümpfte die Nase. «Hampton Court ist das ja nicht gerade, nicht wahr, Master Toby?»
«Nicht ganz, Mrs Swan.» Toby lächelte. Mildred Swan war überzeugte Londonerin, und nichts konnte ihrer Meinung nach mit London mithalten. Tobys Einladung, in Lazen zu bleiben, hatte sie mit aller Entschiedenheit abgelehnt. Sie war gern unterwegs, aber nur, um mit bestätigten Vorurteilen zum Bull Inn Court zurückzukehren.
Campion konnte in dem, was sie sah, noch deutliche Anzeichen dessen erkennen, was Lazen Castle einmal gewesen war, nämlich eine Burg. Linker Hand erhoben sich die Überreste eines mächtigen Bergfrieds mit quadratischem Grundriss, der jetzt, wie Toby erklärte, als Scheuer genutzt wurde. Davor und in einigem Abstand zum Haupthaus stand das alte, aber noch bewohnbare Torhaus. Eine leere Fahnenstange wartete auf die Fahne, die zur Rückkehr von Sir George gehisst werden würde. Außerdem gab es einen Graben, das Wichtigste an einer Burg, der aber nur noch den Süd- und Westrand des Anwesens umschloss und eher einem Zierteich glich denn einer Wehranlage.
Von der ursprünglichen Burg war nur wenig übrig geblieben. Zwischen der Ruine des Bergfrieds und dem Haupthaus erstreckte sich noch ein Teil der alten Wehrmauer, die jetzt dazu diente, den Spalierobstbäumen im Küchengarten Halt zu bieten. Ein weiteres Mauerstück im Osten verband den Bergfried mit den Stallungen und schützte die Schmiede, das Brauhaus und ein Dutzend anderer Gebäude vor den Winterwinden. Mehr war von der Festung nicht erhalten geblieben. Die alten Steine waren dafür verwendet worden, neue Häuser zu bauen, und diese Häuser waren wunderschön.
Toby beschrieb das Anwesen. Campion war beeindruckt, doch gleichzeitig bangte ihr vor der Begegnung mit Lady Margaret Lazender. Denn obwohl Toby energisch das Gegenteil behauptete, ahnte sie, dass er keineswegs sicher war, dass seine Mutter sie herzlich willkommen heißen würde.
Rund siebzig Schritt im Süden des Torhauses befand sich das sogenannte Alte Haus, das zur Regierungszeit von Elizabeth gebaut und trotz seines Namens noch keine hundert Jahre alt war. Aus Stein gemauert, war es an seiner Westfassade nachträglich mit Holz verkleidet worden. Die hohen und breiten Fenster wirkten alles andere als trutzig und öffneten sich dem Licht der Abendsonne.
Im rechten Winkel zum Alten stand, nach Süden ausgerichtet, das Neue Haus, sodass beide Gebäude ein großes «L» bildeten. Erst vor zehn Jahren fertiggestellt und ganz aus Stein gebaut, war es, wie Toby sagte, mit seinen prächtigen Marmor- und Stuckarbeiten, den Fliesen und polierten Eichenhölzern der ganze
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