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Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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aufgeschlossen und sehr begeisterungsfähig sei, wenn diese Begeisterung auch genauso schnell wieder verfliege, wie sie ausgebrochen sei. Er hatte lachend davon gesprochen, dass seine Mutter in ihrem Überschwang immer wieder für großen Wirbel sorge, zum Beispiel als sie angefangen hatte zu dichten, die Familie mit ihren Sonetten traktiert und die kostbaren Intarsien ihres Schreibtisches mit Tinte beschmiert habe. Als sie sich auf die dramatische Kunst verlegt hatte, seien aber immerhin ausgezeichnete Schauspieler und Musiker nach Lazen Castle gekommen.
    Einmal hatte sich Lady Margaret in den Kopf gesetzt zu lernen, wie man Tiere ausstopft, und einen Präparator in Bristol darum gebeten, sie in die Geheimnisse seiner Kunst einzuweihen. Dieser aber, so berichtete Toby, habe sich nicht in die Karten schauen lassen wollen und sie mit falschen Instruktionen abgespeist.
    Zahllose Hühner waren ihrem Ehrgeiz damals zum Opfer gefallen, doch keines der ausgestopften Exemplare hatte auch nur annähernd Ähnlichkeit mit dem lebendigen Vorbild gehabt. Die lange Galerie war fast nicht mehr bewohnbar gewesen, so sehr stank es darin. Doch das hatte Lady Margaret nicht davon abgehalten, weitere Kadaver zu zerpflücken und die Innereien durch eine Mischung aus Sägemehl und Kleister zu ersetzen. Toby erinnerte sich, dass jeder Tisch und jede Nische in der Galerie von diesen Hühnern besetzt waren, gefiederten Gestalten mit hängenden Köpfen. Sie waren am Ende alle verbrannt worden, bis auf ein besonderes Exemplar, das Toby in einen Schrank geschlossen hatte.
    Die große, mit goldenen Ornamenten geschmückte Tür zur Galerie ging auf, und Toby kam zum Vorschein. Er lächelte, verriet aber mit keiner Miene, wie das halbstündige Gespräch mit seiner Mutter verlaufen war. «Mrs   Swan, ich werde dafür sorgen, dass man Euch gut bewirtet.» Und an Campion gewandt: «Nach dir wird verlangt.» Er winkte sie zu sich.
    «Jetzt gleich?»
    «In dieser Sekunde. Du brauchst keine Angst zu haben.»
    Dem Befehl der Hausherrin war Folge zu leisten. Unruhig ging Campion an Toby vorbei und hörte, wie er hinter ihr die Tür ins Schloss zog. Sie sah einen ungemein opulent gestalteten Saal, der die gesamte Länge des Neuen Hauses beanspruchte. Die hohen Fenster blickten auf das südliche Lazen-Tal. Eine leichte Brise bewegte die weißen Vorhänge. Campions flüchtiger Blick streifte kostbare Tische und Sessel, Bänke und Truhen. Ein langer Teppich erstreckte sich bis ans andere Ende des Saals. An der weißen Wand gegenüber den Fenstern hing ein Gemälde neben dem anderen, und die Stuckarbeiten unter der Decke waren noch kunstvoller als die im Treppenhaus. Campion nahm all dies nur am Rande wahr, denn ihre Aufmerksamkeit war auf Tobys Mutter gerichtet, die in der Mitte des Raums stand und ihr entgegenblickte.
    «Wie soll ich dich nennen? Miss Slythe, Mrs   Scammell, Dorcas oder Campion? Für eine junge Frau hast du ja erstaunlich viele Namen. Komm näher.»
    Campion ging auf sie zu und fühlte sich wie am Tag des Jüngsten Gerichts, wenn sie sich auf kristallenem Grund dem Thron der Throne nähern würde.
    «Komm, komm! Ich werde dich nicht fressen.»
    Zwei Schritte vor Lady Margaret blieb Campion stehen. Sie machte einen Knicks und senkte den Blick, um Tobys Mutter nicht in die Augen schauen zu müssen.
    Lady Margaret war eine großgewachsene, grauhaarige Dame mit gebieterischer Miene. Sie musterte Campion von Kopf bis Fuß und fragte dann: «Du bist also das Mädchen, dessentwegen mein Sohn halb London niedergebrannt hat.»
    Weil eine Antwort verlangt war, bestätigte Campion: «Ja, Ma’am.»
    «Mein Name ist Lady Margaret. Wie ich dich anreden soll, ist noch nicht geklärt, aber wir werden uns schon noch einigen.» Sie war merklich verärgert. «Drei Werkstätten und zwölf Häuser liegen in Schutt und Asche. Zwei Männer sind umgekommen. Weißt du das eigentlich?»
    «Ja, Ma’am, Lady Margaret.» Die Nachrichtenblätter hatten Toby und Campion einen Tag vor Lazen eingeholt. Lady Margaret seufzte.
    «Es scheint, dass außer dem Mann, den mein Sohn getötet hat, auch noch ein Priester gestorben ist. Ein gewisser Bollsbie, der den seltsamen Beinamen ‹Seine Sobrietät› trug. Ich nehme an, er hat deine Trauung vorgenommen.»
    «Ja, Lady Margaret.»
    «Schau mich an, Kind. Wenn du auf den Boden schaust, kann ich dir nicht ins Gesicht sehen. Du willst doch nicht, dass ich vor dir in die Knie gehe. Hoch mit dem Kinn! Höher! Und schau mich an.

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