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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Motivationsschub benötigen«, sagte er, und Connie erwiderte finster seinen Blick. Was erwartete er eigentlich von ihr? Forschung brauchte ihre Zeit. Das musste Chilton doch als Allererster wissen.
    »Wie bekannt, wurde ich dazu eingeladen, bei der Colonial Association in der letzten Septemberwoche die Grundsatzrede über meine jüngsten Forschungen zu alchemistischer
Technik und magischem Denken im frühen Amerika zu halten. Meine Forschungen, das kann ich Ihnen heute wohl bedenkenlos sagen, haben beachtliches Interesse erregt. Und ich würde Sie gerne dazu einladen, die Präsentation mit mir zusammen zu machen.«
    Er zog mit gedankenverlorenem Blick an seiner Pfeife und schien ob dieser Einladung überschwängliche Dankesbezeugungen zu erwarten. Connies erstes Gefühl war auch tatsächlich das der Freude und der Überraschung. Die Aufforderung, zusammen mit ihrem Doktorvater ihre Forschungen zu präsentieren, war in der Tat ein großer Sprung in ihrer Karriere. Dennoch wurde ihre Freude von einer winzigen Wolke am Rande ihres Bewusstseins verdunkelt, als sie an Janines Darstellung von Chiltons gegenwärtiger Recherche dachte. Sie schaute ihn abwartend an.
    Als sie keine besondere Aufregung angesichts dieser Perspektiven zeigte, sah Chilton einen Moment lang etwas verwirrt aus, gewann aber fast auf der Stelle seine Fassung wieder zurück. Er räusperte sich. »Wie Sie sicher wissen, ist das eine einzigartige Gelegenheit für eine Doktorandin auf Ihrer Stufe der Karriereleiter. Es würde mich sehr freuen, Ihre Forschungen vor einem solch angesehenen Forum zu präsentieren. Und, auch das muss gesagt werden, für Sie würden sich aus den Kontakten, die Sie auf dieser Konferenz knüpfen können, auch wahrscheinlich einige gute Möglichkeiten für Ihr berufliches Fortkommen ergeben.« Er hielt inne, senkte die Stimme. » Beträchtliche Möglichkeiten. Allerdings wird es mir nicht möglich sein, Sie meinen Kollegen vorzustellen, wenn das Buch nicht auffindbar ist. Sie sehen also, wir haben ein kleines Problem.«
    Connie schluckte und beschloss, einen behutsamen Vorstoß zu machen. »Professor Chilton«, begann sie. »Vielleicht wäre ich besser in der Lage, mich vorzubereiten, wenn Sie
mir einen Hinweis darauf geben würden, was genau das Thema Ihrer Präsentation sein wird.«
    Er betrachtete sie und schien seine Worte genau abzuwägen, bevor er sprach. »Eine absolut verständliche Frage«, sagte er. »Die ich sicher in gewisser Ausführlichkeit beantworten kann, sobald Sie mir das Buch bringen.«
    »Verstehe«, sagte sie.
    Er schaute sie an, zog an seiner Pfeife, und ein Schwall Rauch strömte aus seinen Nasenflügeln und bildete eine süßlich riechende Wolke um seinen Kopf. »Wirklich?«, fragte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
    »Ja«, sagte Connie, deren Unbehagen sich langsam von ihrem Magen aus ausbreitete. »Und ich danke Ihnen. Das ist eine unglaubliche Chance für mich. Ich werde Sie nicht enttäuschen.«
    Die Worte kamen ihr über die Lippen, als würde sie sie vom Blatt ablesen. Connie stand auf und drückte ihre Schultertasche an ihre Brust, ohne dabei Chiltons stetem Blick zu begegnen. Dann trat sie den Rückzug zur Tür an, einen Fuß vor den anderen setzend, bis ihre Hand den schweren Türknopf aus Messing fand und ihn drehte. Während sie durch die Tür trat, folgte ihr Chiltons Stimme bis in den Flur hinaus.
    »Finden Sie das Buch, Connie«, sagte die Stimme.
    Und dann fiel die Tür mit einem leisen Klicken ins Schloss.

SIEBZEHN
    Boston, Massachusetts
Mitte Juli 1991
     
    E in Signal ertönte, und die gewaltige Menschenmasse im Zugwaggon ballte sich bei den Türen zusammen und bildete eine Barrikade aus Armen und Beinen und Kopfhörern und Rucksäcken, bevor alles hinausdrängte, zuerst nur als kleines Rinnsal und dann wie ein breiter Strom, als die Türen ganz offen waren. Connie ließ sich in dem Fluss der Körper treiben, die auf den Bahnsteig hinausgespült wurden, und verschloss Mund und Nase gegen das Geruchsgemisch aus Parfüm, Schweiß, Asphalt und schmelzenden Autoreifen. Sie drückte ihre Schultertasche noch fester unter den Arm und ließ sich von der Menge den Bahnsteig entlangtreiben, eine Treppe hoch, um den Mann herum, der schnarchend auf einem fleckigen olivfarbenen Schlafsack lag, und durch die Türen der Arlington-T-Station hindurch. Hier teilte sich die Pendlermenge in Grüppchen von zwei und drei auf, sobald sie die weite Fläche des städtischen Parks erreicht

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