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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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über dem Feuer garte. Aus jener Mary Sibley wurde sie nicht schlau. Warum nimmt sich Mutter ihrer bloß an? Das ist doch nur ein elendes Klatschweib, grübelte Mercy. Wenn sie das Gewerbe einmal übernahm, würde sie ganz gewiss darauf achten, dass sie nichts mit dieser Mary zu tun hatte. Und das würde ihr gerade recht geschehen.
    Deliverance seufzte und sagte: »Ich weiß nicht recht, Mary. Ist auch kein besonders gutes Glas zum Weissagen.«
    Die junge Gevatterin, die am Tisch saß, knetete ihr Schnäuztuch mit verkrampften Fingern. »Aber, Livvy, Ihr müsst es sehen! Nun sind die Mädchen schon drei Wochen befallen. Lasst uns noch eines aufschlagen.« Ihr Gast griff in dem Korb, der neben ihr auf dem Tisch stand, nach einem
weiteren Ei, das eine glatte, etwas fleckige Oberfläche besaß.
    Deliverance hob eine Hand und wies das Ei zurück, das Mary Sibley ihr hinhielt.
    »Und Ihr seid sicher, dass diese Eier aus Parris’ Scheune stammen?«, fragte Deliverance und schaute Gevatterin Sibley gleichmütig an.
    »So sagte man mir«, antwortete Mary und senkte den Blick einen Moment lang vor Deliverances stetem Schauen.
    »Wie kamt Ihr denn in ihren Besitz?«, erkundigte sich Deliverance mit überdrüssiger Stimme. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Reverend Parris es gerne sähe, dass seine Eier für eine Prophezeiung verwendet werden.«
    »Dann habt Ihr noch nicht seine Betty gesehen«, flüsterte Mary, und ihr Blick huschte nach links und rechts. »Sie führt unsinnige Reden und erleidet die schlimmsten Anfälle, ebenso wie seine Magd, Abigail Williams. Der Reverend hat gar keine Zeit, sich um seinen Hühnerstall zu kümmern, weil er den ganzen Tag mit Beten und der Zwiesprache mit Gott verbringt.«
    »Dann werden mit Gottes Segen bald auch diese Mädchen wieder zu Sinnen kommen«, sagte Deliverance und erhob sich. »Wie steht es mit dem Gemüse, Mercy?«, fragte sie und kam näher zur Feuerstelle. Sie nahm einen Lappen, um sich beim Anheben des Deckels nicht zu verbrennen, und schnupperte an den Dämpfen, die aus dem blubbernden Inhalt emporstiegen. Während sie das tat, fuhr ein kalter Windstoß den Kamin herab und wühlte die Asche zu den Füßen der Frauen auf. Mercy und Deliverance schüttelten rasch ihre Röcke aus und wischten die Asche weg, damit auch keine Glut im Stoff haften blieb und ihn entzündete.
    »Livvy!«, schrie Mary mitten in dem vorübergehenden
Aufruhr, sprang auf und legte die Hände auf den Tisch. »Er hat sogar nach William Griggs gerufen!«
    »Ach?«, sagte Deliverance gleichgültig. »Man sagt, Mister Griggs sei ein guter Arzt.«
    Mary lief um den Tisch herum und stützte die Hände in die Hüften, während sie sich Deliverance näherte. Sie baute sich so nah vor ihrer Mutter auf, dass selbst Mercy ihren heißen Atem spüren konnte. »Und Mister Griggs hat gesagt, er sehe die Hand des Bösen am Werk«, sagte Mary zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. »Können wir jetzt noch einmal nachschauen?« Sie hielt ihr das Ei hin, doch Deliverance wandte sich ab. Mercy schaute von ihrer Mutter zu Mary und wieder zurück. Es sah ihrer Mutter gar nicht ähnlich, sich so zu verstellen.
    »Ich kann wirklich nichts erkennen, Gevatterin Sibley. Vielleicht trübt ja der Teufel mir die Sicht«, meinte Deliverance. Sie blickte zu Mary zurück, die mit erstarrtem Kiefer und vor Zorn glänzenden Augen vor ihr stand. »Wir müssen auf Gott vertrauen«, schloss Deliverance und verschränkte die Arme. »Vielleicht wird er ja in seiner wundersamen Vorsehung den Mädchen ihre Gesundheit zurückgeben. Ich bin zuversichtlich, dass das alles schon bald vorüber sein wird.«
    Mary stampfte verärgert mit dem Fuß auf, und Mercy wich vor ihr zurück und drückte sich mit dem Rücken an die Wand, als die junge Matrone sich an ihr vorbei in Richtung Tür drängte. Deliverance sah ihrem Abgang tatenlos zu. Als sie die Tür erreicht hatte, drehte sich Mary Sibley noch einmal um und machte sich an ihrem schweren Wollumhang zu schaffen, während sie sprach: »Jene Mädchen sind verhext, so wahr ich hier stehe. Und wenn Ihr nicht dazu in der Lage seid, ihnen zu helfen, dann werde ich selber einen Kuchen backen. Dazu gehört doch nicht viel!«

    Mit einem bedeutsamen Schnaufen knotete sie sich den Umhang unter dem Kinn zu, riss die Haustür weit auf und trat in die Kälte, die draußen herrschte. Die Tür fiel mit einem lauten Knall hinter ihr ins Schloss. Ein kleines Schneegestöber wurde hereingeblasen und

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