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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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gerettet werde, so wird das allein aus seiner Gnade geschehen. Werde ich jedoch verdammt« – sie hielt inne, noch immer lächelnd, und Mercy spürte, wie sich eine dicke schwarze Wolke in ihrer Brust sammelte -, »dann werde ich meiner Tochter in diesem Leben die Qualen ersparen, die ich in meinem nächsten Leben erdulden muss.«
     
    Die folgenden Tage vergingen wie die meisten Wintertage im Haushalt der Danes. Die beiden Frauen hielten sich in wenigen Fuß Entfernung von der Feuerstelle auf, buken Brot, kochten Maisgrütze und stopften mit zusammengekniffenen Augen bei Kerzenlicht ihre Kleidung, während der Hund unter dem Tisch schnarchte. Am Nachmittag zog Deliverance
ihr Buch hervor, damit Mercy etwas daraus lernte, indem sie zuerst einen getrockneten Kräuterstängel und dann den nächsten vor dem Mädchen auf den Tisch legte und sie in dem gleichen, genauen Ton, den sie auch beim Herunterbeten ihres Glaubensbekenntnisses anschlug, dessen Namen, Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten benennen ließ. Draußen häufte sich neben ihrem zweiräumigen Häuschen der Schnee zu einer steilen weißen Wand, presste sich in einer Wehe gegen die Fenster des großen Zimmers, wurde durch den Kamin geblasen und kroch sogar durch die Spalte unter der Haustür herein. Sie hatten nur wenige Besucher, bloß Nachbarn, denen die Lebensmittel ausgingen und die auf einen Tauschhandel aus waren. Mercy bäumte sich gegen die Eintönigkeit auf, mit jedem Tag, der verging, juckte es sie mehr in den Fingern, und sie sehnte sich nach etwas Klatsch aus dem Dorf.
    »Ich geh zu den Kais hinunter«, verkündete sie an dem Nachmittag, als der März Einzug hielt. Die Kälte war ungebrochen, und die Welt draußen war eine einzige weiße Wolke. Mercy hüllte sich in ihren schweren Umhang und kramte in der Truhe am Fußende des Bettes nach einem von Nathaniels alten Filzhüten. Sie hatte seit seinem Tod im vergangenen Jahr die meisten seiner Kleidungsstücke aufgehoben – alle außer denen, die er bei dem Unfall getragen hatte. Manchmal sah sie ihn immer noch vor sich, jenen hellroten Blutfleck auf der Straße, und sie hörte das Knirschen des zersplitternden Wagenrades. Sie rieb sich die Augen, drängte die unwillkommene Erinnerung beiseite. Mercy wusste, dass sie immer dann auf seine alten Hüte und Hemden zurückgriff, wenn sie besonders verdrießlich und niedergeschlagen war. So fühlte sie sich immer öfter, wie ihr schien.
    »Und was willst du dort?«, fragte Deliverance vom Eingang her.

    Mercy richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf, in der stillen Hoffnung, trotz ihrer blau angelaufenen Lippen einen Hauch von Würde auszustrahlen. »Ich möchte Neues aus Salem Farms erfahren«, sagte sie und benutzte dabei den alten Namen für das Dorf Salem.
    Die Stadt Salem, wo die beiden in ihrem kleinen Haus wohnten, eine kurze Wegstrecke vom Meer entfernt, war in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen, und irgendwann vor geraumer Zeit war vor den Stadtgrenzen ein kleines Dorf namens Salem Farms gegründet worden, um die heranwachsende Stadt mit Nahrung zu versorgen. Ganz allmählich hatte die Region rund um die Bauernhöfe einen gewissen Grad der Eigenständigkeit erlangt und sich in Dorf Salem umbenannt. Sogar das zwischenmenschliche Gebaren der Gegend war anders: die Dörfler waren Leute vom Lande, versippt und argwöhnisch. Keine Seefahrer. Trotz ihrer mittlerweile stattlichen Statur fühlte sich Mercy, wann immer sie in der Stadt war, klein und schier überwältigt von all den vielen neuen Gesichtern um sie herum. Die Menschen kamen in die Stadt von Osten, der Grenze zu Maine, her, wo die Siedlungen durch Indianerangriffe zurückgedrängt worden waren, und viele von ihnen stiegen aus den Schiffen aus England, die im Hafen einliefen. Jeden Tag ergossen sich wahre Menschenströme in die Straßen von Stadt Salem und sickerten allerorten in Mercys Lebensraum: auf dem Markt, beim sonntäglichen Gottesdienst, manchmal sogar in ihrer schäbigen Diele, wenn sie wegen verschiedener Dienstleistungen zu Deliverance kamen. In dem schwachen Bemühen, sich ihren Platz auf der Welt zu sichern, hatte es sich Mercy in letzter Zeit zur Gewohnheit gemacht, die Gegenden und Plätze um sie herum bei ihrem veralteten Namen zu nennen, was sie selbst ärgerte, wann auch immer sie sich dabei ertappte. Sie verschränkte die Arme über der Brust.

    »Du hast keinen Grund, Neuigkeiten von den Farms erfahren zu wollen«, sagte Deliverance. »Aber da du schon

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