Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
Vom Netzwerk:
Ausdruck der Ernsthaftigkeit auf ihr Gesicht. Dumm wie Bohnenstroh, diese Mary, dachte sie bei sich.
    »Reverend Lawson, der vor einigen Tagen zu Hilfe gerufen wurde, hat verkündet, dass dieser Hexenkuchen ein Werkzeug des Teufels sei. Ganz gleich, welches Leid uns ereilt, sagt er, dürfen wir doch nicht des Teufels Mittel wählen. Sogar von der Kanzel herab hat er das gesagt!«, rief Sarah aus. »In ebenjenem Gottesdienst forderte Abby Williams von ihm, er möge die Bibelstelle nennen, die er meinte, und als Reverend Lawson das tat, sagte sie: ›Das ist aber eine lange Stelle.‹ Noch nie in meinem Leben habe ich jemanden etwas derart frech äußern hören, und noch dazu zu einer so angesehenen Persönlichkeit.«
    »In der Tat«, bestätigte Deliverance und nahm noch einen
Schluck Apfelwein. »Jedenfalls scheint der Kuchen nicht besonders geholfen zu haben«, sagte sie, an Mercy gerichtet, die nickte.
    »Nun, Livvy, es ging noch weiter«, fuhr Sarah fort. »Sie verlangten von den Mädchen, dass sie ihre Peiniger benennen und erklären sollten, wessen Gestalt der Teufel angenommen habe. Und diese Woche haben sie Namen genannt – Sarah Good, Sarah Osbourne und jene Tituba selbst!«
    Deliverance und Mercy wechselten Blicke. Sarah Good und Sarah Osbourne waren im Dorf als Bettlerinnen bekannt, zwei Frauen, die von Haus zu Haus zogen und um Essen oder Unterkunft baten. Gierige, leidende Frauen, die Furcht in den Herzen der wackeren Dörfler gesät hatten; man mied sie, als wäre ihr niederschmetterndes Elend ansteckend. Tituba war eine Indianerfrau, die im Haushalt der Parris zu Diensten stand; man hatte sie von der Insel Barbados hierhergebracht. »Dann geht Mary Sibley mit Gott«, murmelte Deliverance. »Was für ein Glück für sie!« Sie erhob sich, trat ans Fenster und starrte hinaus.
    »Livvy, so hört doch! Erst heute hat man die drei ins Bethaus gebracht, um sie zu befragen!«, schrie Sarah.
    »Wie bitte?«, fragte Deliverance und wandte sich Sarah zu, die nach wie vor am Tische saß.
    »Heute, Livvy! Und die Tituba, sie hat gestanden!« Bei diesem letzten Wort hieb Sarah mit ihrer flachen Hand auf die Tischplatte. Mercy riss die Augen auf.
    »Gütiger Gott!«, flüsterte Deliverance und legte eine Hand an ihre Schläfe. »Aber das ist doch gewiss eine Lüge. Es gibt hier niemanden, der des Teufels Werk tut.«
    »Reverend Parris sagte zu ihr, sie müsse zu Jesus kommen und gestehen, und dann solle sie auch die anderen benennen, die mit ihr gingen.« Sarah schluckte, und ihre Augen brannten vor Dringlichkeit. »Livvy, ich kam direkt, um es Euch zu
sagen. Auch jener Peter Petford war bei der Versammlung. Er fragte, ob Tituba jemals mit Euch gegangen sei. «
    Stille senkte sich über den Raum, und alles Blut wich aus Deliverances Gesicht, bis sie ganz leicht zu schwanken begann, dort, an dem Platz, wo sie stand. Mercy sprang auf und schlang ihr einen Arm um die Leibesmitte.
    »Komm, setzen wir uns, Mama«, sagte sie und führte ihre Mutter zu dem dreibeinigen Hocker am Kopfende des Tisches.
    »Ich …«, begann Deliverance. »Mercy, ich …« Sie keuchte, schien nicht in der Lage, Luft zu holen. Mercy machte sich an den Bändern zu schaffen, mit denen Deliverances Kleid vorne zugeschnürt war, und zog so lange mit den Fingern daran, bis sie spürte, dass das Korsett sich lockerte und ihre Mutter tief einatmete.
    »Eine Kompresse, Gevatterin Bartlett, ich bitte Euch«, sagte Mercy, ohne sich umzusehen, und aus ihrer Stimme sprach eine ganz neue Befehlsgewohnheit. Sarah Bartlett beeilte sich, ihrem Befehl nachzukommen, fand einen sauberen Lappen und tauchte ihn in den Eimer, in dem Mercy Schnee für die Wäsche gesammelt hatte. Sarah drückte dem Mädchen die Kompresse in die Hand, und Mercy legte sanft das kalte Tuch auf Deliverances Stirn, indem sie die Haube so weit zurückschob, bis die ersten, graubraunen Haarsträhnen ihrer Mutter über das Gesicht fielen. »Du musst wieder zu Atem kommen«, flüsterte sie und fuhr mit der Kompresse hinter Deliverances Ohren und zum Nacken hinab. Sie spürte, wie das Atmen ihrer Mutter tiefer und ruhiger wurde, und hielt ihrem Blick stand, bis Deliverances Augen wieder klarer zu sehen schienen. Mercy bemerkte zum ersten Mal, wie die Haut ihrer Mutter beschaffen war – irgendwie war sie papieren und dünn geworden, und rund um ihre Augen und den Mund lag ein feines Netz aus Fältchen. Niemals hatte sie in
Deliverance etwas anderes gesehen als einen kraftvollen und tüchtigen

Weitere Kostenlose Bücher