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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Oliver«, sagte sie ohne Herzlichkeit. Sie bemerkte, wie er langsam das Innere des Raumes auf sich wirken ließ, ihre Mutter mit weißen Lippen am Kopfende des Tisches stehen sah und, ein wenig abseits, Sarah, die Hände knetend. Der Hund ließ sich nirgendwo blicken.
    »Nehme an, Ihr wisst, warum ich hier bin«, sagte er. Mercy dachte, dass dies vermutlich der längste Satz war, den sie jemals aus dem Munde von Jonas Oliver vernommen hatte.
    »Ich mache mich nur bereit«, sagte Deliverance, warf sich ihren schweren Umhang über und griff nach den Fäustlingen, die Mercy zum Trocknen ans Feuer gelegt hatte. Sarah war lange genug aus ihren Grübeleien aufgetaucht, um etwas hartes Maisbrot zusammen mit einem kleinen Schlauch Apfelwein
in ein Tuch zu binden. Die ganze Zeit über wartete Jonas Oliver an der Tür, ohne sich zu rühren, mit reglosem Gesicht, während ein Sturmwind ins Haus blies und eine Ladung schmutzigen Schnee und Eis in die Diele fegte. Mercy sah all den Vorbereitungen zu und spürte, wie die eisige Nachtluft sie einhüllte und alles, was einmal an Sicherheit und Geborgenheit in diesem Haus zu spüren gewesen war, mit sich fortriss. Panik stieg in ihrer Brust auf, jagte wie eine gewaltige rote und schwarze Welle durch ihren Leib, und sie suchte verzweifelt nach einer Idee, einer Möglichkeit, wie sie diesen schrecklichen Mann davon abhalten könnte, ihre Mutter mit sich zu nehmen. Sie versuchte, sich an einen Zauber zu erinnern, an dem sie geübt hatte und mit dem man die Zeit rückwärtslaufen lassen konnte, einen, der Früchte zum Schrumpfen brachte, bis sie wieder Samenkerne waren, was man ja durchaus auch bei einer Situation oder einem Mann ausprobieren könnte. Während sie in den Schubladen ihrer Erinnerung kramte, nach den Worten suchte, die sie dafür brauchte, nahm ihre Mutter das Proviantpaket, das Sarah ihr geschnürt hatte, und ging in Richtung Tür.
    Deliverance legte Mercy eine Hand auf die Schulter und schaute ihr in die Augen. »Denk an das, was ich dir gesagt habe«, flüsterte sie. Mercy nickte, hatte das Gefühl, als müsse sie gleich platzen.
    »Während ich weg bin, überlasse ich das Haus dir. Vernachlässige nicht deine Pflichten.« Mercy nickte noch einmal, und als sie Jonas Oliver aus der Tür treten und Deliverance bedeuten sah, ihr zu folgen, war es um Mercys Fassung endgültig geschehen, und sie schrie hinaus: »Mama!«, warf sich ihrer Mutter an den Hals, und ein Schwall Tränen flossen aus ihren Augen auf den Umhang ihrer Mutter.
    »Schsch, schsch«, tröstete Deliverance sie und streichelte ihr über den Rücken, so wie ihr Vater es immer getan hatte,
und Mercy erschauderte und schluchzte noch mehr bei dem Gedanken an ihn. »Das alles wird bald erledigt sein. Wir müssen zu Gott beten, uns Kraft zu schenken.«
    Sanft machte sie sich aus Mercys klammernder Umarmung frei, bis Mercy sich von ihr gelöst hatte und mit gesenktem Kopf und aufgewühlt vor Wut und Trauer vor ihr stand.
    »Ihr seid uns eine gute Freundin gewesen«, sagte Deliverance zu ihrer Nachbarin, die darauf antwortete: »Gott sei mit Euch, Livvy Dane.«
    Hiermit drückte Deliverance einen Kuss auf Mercys Stirn, schaute sich ein letztes Mal im Haus um und folgte Jonas Oliver in die Nacht hinaus.
    Mercy sah ihr hinterher, voller Hass auf den Mann, das Dorf, auf Reverend Parris, auf die lächerlichen, quiekenden Mädchen, auf ihren toten Vater, auf Sarah Bartlett, ja sogar – sie musste es sich eingestehen – auf Gott höchstpersönlich, weil er dies alles geschehen ließ. Während das Pferd mit seiner schweren Last davongaloppierte und einen Nebel aus Schnee hinterließ, wartete Mercy auf der Türschwelle des Hauses, bis die Hufschläge im Nichts verschwanden und um sie herum nur noch das tote Dröhnen der verschneiten Nacht war, eingeschlossen in Stille, die auch den kleinen Hund umfasste, der zu ihren Füßen aufgetaucht war.

NEUNZEHN
    Marblehead, Massachusetts
Mitte August 1991
     
    U nter dem dichten Baldachin aus Weinlaub brach die Nacht herein, bevor es draußen dunkelte, dennoch konnte Connie den eingebrannten Kreis an ihrer Eingangstür gut erkennen. Sie ließ ihre Schultertasche fallen, wo sie stand, legte die Hände an die Hüften und spürte, wie die Erschöpfung langsam in ihre Glieder sickerte. Nach dem Nachmittag im Krankenhaus fühlte sie sich leer und haltlos wie ein Schiff, das ohne Anker auf See treibt. Sams Bein heilte langsam, doch seine Krampfanfälle wurden immer schlimmer. Sie

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