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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Seite neben dem Tor deponiert. Während sie vor sich hin arbeiteten, hörten sie im Garteninneren gelegentliches Rascheln und Bellen.
    »Wenigstens Arlo hat seinen Spaß«, murmelte Connie, strich ihr Haar beiseite und hinterließ einen Schmutzstreifen auf ihrer Stirn.
    »Ich glaube, wir haben es fast geschafft«, sagte Liz.
    Nachdem sie ein paar weitere Minuten damit zugebracht hatten, an den letzten, störrischen Kletterpflanzen zu zerren, hockte sich Connie hin und betrachtete das frei gelegte Tor. Das Eisen war so verrostet und verwittert, dass sie befürchtete, es würde zerbröseln, sobald sie es berührte. Behutsam streckte sie die Hand aus und hob den Riegel an, der das Tor mit dem Zaun verband. Er quietschte wie alles Metall, das lange Zeit nicht mehr bewegt wurde, doch er gab nach. Ganz langsam und vorsichtig drückte sie gegen das Tor, bis es etwa einen halben Meter offen stand und sich in der dichten Hecke ein Durchgang zeigte. »Und?«, sagte sie und drehte sich zu Liz um. Liz zuckte mit den Schultern.
    Connie rappelte sich hoch und schob sich seitwärts durch das Tor.

    Der Garten war bei Weitem nicht so dicht zugewachsen, wie die Hecke es vermuten ließ. Sie stand am Beginn eines Steinplattenweges, der bis zur verschlissenen Eingangstür des Hauses führte. Dessen gesamte Oberfläche war mit verschiedenen Arten von Kletterpflanzen überwuchert. Über der Tür baumelte üppig eine blühende, violett-grüne Glyzinie, deren dicker, süßlicher Geruch in der Luft hing wie eine Wolke. Mehrere große, schlanke Bäume – der Holunderbaum, den sie von der Straße aus gesehen hatten, sowie eine Erle und ein Rotdorn – wuchsen im Garten und dienten als Säulen für das zeltdachartige Geflecht aus Ranken, welches sich von der Hecke bis zum Tor erstreckte. Unter den Bäumen und Kletterpflanzen war es zwar schattig, aber nicht dunkel. Man hatte das Gefühl, für sich zu sein – wie in einem Versteck.
    Connie verspürte plötzlich einen intensiven, leicht verlagerten Schmerz in ihrer Magengrube – den stillen Kummer darüber, dass sie dieses Reich im Verborgenen nie gesehen hatte. Sophia, ihre Großmutter, hatte diesen Garten angelegt. Doch Connie würde sie nie kennen lernen. Die Endgültigkeit dieser Erkenntnis fühlte sich bleiern und unausweichlich an. Connie legte das lange in ihrem Inneren aufbewahrte Bild von Sophia über die Gartenszenerie vor ihr und sah ihre Großmutter mit einer Pflanzkelle neben der Hausecke knien. Connie entspannte sich, ließ sich mehr und mehr auf die Phantasie ein, und zu ihrer Überraschung bog jetzt der Mann aus ihrem vorherigen Tagtraum – in dem sie nun von alten Fotografien ihren Großvater Lemuel erkannte, der während Graces Collegezeit verstarb – um die Hausecke, immer noch unter seiner Brennholzlast gebeugt. Das wird erst mal reichen, sagte Granna in ihrer Vorstellung zu dem Mann. Leg’s einfach in die Diele.
    Connie drückte die Fingerspitzen an ihre Augenlider, und
eine Fläche aus vielen blauen und tintenschwarzen Klecksen breitete sich auf ihrer Netzhaut aus. Als sie die Hände sinken ließ und die Augen wieder öffnete, war die Szene mit dem Hintergrund verschmolzen und verschwunden. Bestimmt war sie übermüdet; natürlich hatte sie in den Tagen vor dem Umzug nur unruhig geschlafen, sogar noch schlechter als sonst. Letzte Nacht hatte sie fast gar keine Ruhe gefunden und ewig wach gelegen, mit Arlo in den Armen, und in die Dunkelheit gestarrt.
    Eine Rasenfläche gab es hier nicht; stattdessen bestand der Garten aus allen möglichen wilden Kräutern und Pflanzen, die durcheinander wuchsen und eine undefinierbare Masse bildeten. Connie erkannte viele der Kräuter, die fester Bestandteil eines Küchengartens waren: Thymian, Rosmarin, Salbei, Petersilie, verschiedene Minzesorten, Löwenzahnblätter, dichte, zarte Dillblüten, kurze Büschel Schnittlauch, die seit Jahren niemand geerntet hatte. Ihre Augen wanderten zum hinteren Ende des Gartens und blieben bei einigen unbekannteren Pflanzen hängen, die ihr nur aus Gartenbüchern geläufig waren: Eisenhut, Bilsenkraut, Fingerhut, Mondraute. Ein dicker, reich verzweigter Tollkirschenstrauch klammerte sich an die linke Ecke des Hauses und hatte seine Wurzeln dort tief in das Holz gebohrt. Connie runzelte die Stirn. Hatte Granna nicht gewusst, dass viele dieser Pflanzen giftig waren? Sie würde auf Arlo aufpassen müssen.
    Abgesehen von den Kräutern und Blumen strotzte der Garten in der Nähe des Hauses nur so von

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