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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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lächelte.
    »Jedenfalls«, fuhr Connie fort, »sagt der Priester zu ihr, sie könne Vergebung von Jesus erlangen, wenn sie ihm nur verraten würde, wer sonst im Dorf noch gelobt habe, das Werk des Teufels zu tun. Sie benennt ein paar Frauen, Dorfbettlerinnen, die natürlich alle sagen, sie seien unschuldig. Doch die erkrankten Mädchen stützen allesamt Titubas Beschuldigungen. Schon bald geraten die Dinge vollkommen außer Kontrolle. Innerhalb der nächsten paar Monate werden hunderte von Menschen von überallher in Essex County vor ein Anhörungsgericht gestellt, und fast zwanzig werden gehängt. Ein Mann, Giles Corey, wurde sogar zwischen schweren Steinen zu Tode gedrückt, als man versuchte, ihn dazu bringen, dass er vor Gericht ging. Damals war es Gesetz, dass es nur einen Prozess gab, wenn der Angeklagte formell darum bat, doch das hätte auch bedeutet, dass sein Land nach dem Urteilsspruch an die Obrigkeit gegangen wäre, und das wollte er nicht.« Connie erschauderte.
    »Jedenfalls war das«, sagte Sam, »eine ziemliche schlimme Art zu sterben.«
    »Es heißt, seine letzten Worte seien mehr Gewicht gewesen«, sinnierte Connie. Sie trank einen weiteren Schluck Bier und starrte einen Moment lang vor sich hin, bevor sie fortfuhr. »Was ziemlich tough ist, wenn du mich fragst. Und das,
obwohl jemand ihm, während er starb, die hervortretende Zunge mit einer Stockspitze in den Mund zurückstopfte.«
    Sie hielt inne und versuchte, das unangenehme Bild abzuschütteln. »Aber abgesehen davon, gibt es eine Reihe widerstreitender Erklärungen, warum diese Panik sich überhaupt so ausbreiten konnte. Im siebzehnten Jahrhundert hatte es überall in Neuengland vereinzelte Fälle von Hexenverfolgung gegeben, aber der hier war bei Weitem derjenige, der die meisten Todesopfer verursachte. Niemand versteht so recht, warum das alles aus dem Ruder lief – ob es den Mädchen einfach Spaß machte, Macht über die meist älteren Frauen und die gebildeten Männer im Dorf auszuüben, was die puritanische Hierarchie vollkommen außer Kraft setzte, oder ob noch andere Faktoren im Spiel waren. Doch jetzt kommt der Punkt. Bevor man eine der angeklagten Frauen hinrichtete, wurde sie von der Kirche exkommuniziert. «
    Sie nippte abermals an ihrem Glas. »Man kann also davon ausgehen, dass jeder in diesem Kirchenbuch, der als Exkommunizierter im Jahre I692 aufgeführt wird, definitiv in irgendeiner Form mit diesen Prozessen in Zusammenhang steht. Wahrscheinlich deshalb, weil er oder sie binnen Wochenfrist gehängt wurde.«
    »Aber warum hat man sie zuerst aus der Kirche ausgeschlossen?«, fragte Sam.
    »Weil Hexerei eine Form der Ketzerei ist.« Connie zuckte mit den Achseln.
    »Wirklich?«, fragte Sam. »Ich dachte, es sei mehr eine Art alternative Religion. Sozusagen was ganz Eigenes.« Einer der Segler am Ende des Tresens gab lautstark einen zotigen Witz zum Besten, in dem es um eine Blondine, einen Fisch und eine Barfrau ging. Seine Kumpane schüttelten sich vor Lachen, und die Barfrau – selbst eine Blondine – rollte mit den Augen und nahm sich ein weiteres Glas zum Polieren.

    »Eigentlich nicht«, sagte Connie. »Erstens lässt alles, was ich so lese, darauf schließen, dass Hexerei im siebzehnten Jahrhundert mehr eine eingebildete Bedrohung war als eine reale Tätigkeit. Und zweitens machten die Pfarrer großes Aufhebens darum, weil es sich bei der Hexerei im Grunde um eine Entweihung der christlichen Liturgie handelte, die sich all die Gebete und Rituale aus dem Katholizismus der Zeit vor der Reformation aneignete. Was die Kirche jedoch am meisten störte, war, dass hier Menschen, und besonders Frauen, allzu sehr versuchten, selbst Macht auszuüben. Macht, von der die puritanischen Theologen glaubten, sie gebühre nur Gott allein.«
    »Du sagst also, die Hexerei sei bloß eine Projektion gesellschaftlicher Ängste gewesen, und nichts anderes?«, fragte Sam und verschränkte die Arme.
    »Ja. Ist schon ganz schön heftig, wegen gesellschaftlicher Ängste hingerichtet zu werden.«
    »Bist du langsam fertig mit diesem Bier da?«, fragte Sam und schaute sie an.
    »Ziemlich. Wieso?«
    »Weil ich dir was zeigen muss. Also komm.«
    Sie traten in die Nacht hinaus. Schatten lagen wie dunkelblaue Pfützen auf dem Kies zwischen den Häusern. Connie zog ihren Pullover etwas enger um ihre Schultern und wünschte, sie hätte daran gedacht, sich ihre lange Jeans anzuziehen. In Cambridge lag über dem nächtlichen Sommerhimmel immer eine

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