Das Hexenbuch von Salem
waren – auch in den Akten aus dem neunzehnten Jahrhundert tauchten sie auf, handschriftlich angelegt.
Als Connie die Akte Dane öffnete, stellte sie jedoch fest, dass hier das Deckblatt fehlte. Ohne es blieb Connie keinerlei Möglichkeit, das Datum von Deliverances Tod zu bestätigen. Sie vermutete, dass Deliverance erst nach ihrer Exkommunizierung im Jahre I692 hingerichtet worden war, doch ohne das datierte Nachlassdeckblatt konnte sie sich dessen
nicht absolut sicher sein. Die Mappe selbst, die offenbar irgendwann im neunzehnten Jahrhundert angelegt worden war, enthielt nur ein einzelnes Blatt Papier. Connie stand auf und ging zu der Tür hinüber, hinter der sich die Archivarin verschanzt hatte, öffnete sie und steckte den Kopf in das Mitarbeiterbüro. Die Archivarin saß an einem Schreibtisch mit einem Liebesroman auf dem Schoß und hob gerade eine Kaffeetasse an ihre Lippen, als der Klang von Connies Stimme sie von ihrem Sitz aufschrecken ließ.
»Entschuldigen Sie«, sagte Connie von der Tür aus. »Bei der Akte, die ich prüfe, scheint das Deckblatt zu fehlen. Können Sie mir sagen, ob es vielleicht anderswo abgelegt sein könnte? Oder ob es ein Hauptbuch gibt, in dem die Daten der Nachlässe gesondert aufgeführt werden?«
Die kleine Frau starrte sie finster an. »Nein«, sagte sie kurz angebunden. »Solch ein Quatsch passiert halt im Verlauf von dreihundert Jahren.« Sie stellte ihre Kaffeetasse ab, um Connie zu signalisieren, dass dies alles war, was sie zu dem Thema zu sagen hatte.
Connie seufzte und machte die Tür wieder zu. Sie kehrte an den Tisch zurück und fuhr mit dem Finger über das Nachlassverzeichnis. Das war also alles, was von Deliverance Danes Leben und ihrem Schicksal übrig geblieben war. Sie zog ihr Notizbuch aus der Schultertasche und schrieb die Liste wortwörtlich ab, weil sie wusste, dass die Archivarin ihr wohl kaum erlauben würde, ein so brüchiges Dokument zu fotokopieren.
Deliverance Dane
Hof sowie zwei Morgen Ackerland geschätzt [mit Wasserstelle]
£ 63
Diverses Linnen und Kleidung...........
£ 13.12 s.
Mopiliar: Bett, Tisch, 6 Stüle, Schrank...
£ 12.25 s.
Allerlei Kochgeschir aus Eisen..........
90 Shilling
Steingut............................
67 s.
Allerlei Haushaltswaren...............
54 s.
Klasflaschen........................
30 s.
Holzdruhe..........................
22 s.
Bibel, Rezeptpuch....................
15 s.
Andere Pücher.....
12 s
I Sau.....
£ 1.5 s.
I Milchku..........................
£ 2.5 s.
7 Hüner............................
34 s.
Ausstehende Steuern:................
£ 12.,10 s.
Einzige Erbin: Mercy
Connie starrte ein paar Minuten auf das Dokument, und in ihrem Gehirn arbeitete es heftig. Sie schloss die Augen und versuchte, sich die kahlen Räume vorzustellen, die vermutlich die Kulisse zu Deliverances Leben gewesen waren. Sie begann mit dem ungenauen, aber weit verbreiteten Inneren eines Hauses aus dem späten siebzehnten Jahrhundert, mit Holzböden, einer großen Feuerstelle. Das Haus war leer. Ganz allmählich erschlossen sich aus der Liste Erkenntnisse, wie Farben, mit denen Connie das Bild in ihrem Kopf ausmalte, um es dann mit zahlreichen Einzelheiten auszuschmücken.
Deliverance musste Witwe gewesen sein, denn im Nachlassverzeichnis wurde kein Ehemann erwähnt. Connie stellte in Gedanken eine Frau unbestimmten Alters neben die Feuerstelle, allein. Wirtschaftlich gesehen, befand sie sich auf niedrigem bis mittlerem Niveau; sie besaß etwas Land, aber keinen ganzen Hof, und die Dinge, die man zum Leben brauchte, allerdings nichts von besonderem Wert. Zum Beispiel kein Tafelsilber und keine Gegenstände aus Zinn.
Das Mobiliar war fast so viel wert wie das Linnen, was darauf schließen ließ, dass es solide, aber keine besonderen Möbelstücke gewesen waren. Keine Einzelheiten bezüglich der Stühle, weshalb es sich wahrscheinlich nicht um gepolsterte oder mit Armlehnen versehene Exemplare gehandelt hatte. Weder war ein Läufer zum Abdecken des Tisches erwähnt, noch die für die Zeit typische gobelinartige Stickerei. Aus allem konnte Connie sich die Möbel für die vorgestellte Frau zurechtzimmern, indem sie einen schlichten Holztisch mit geschwungenen Beinen vorstellte, auf dem einfaches Geschirr stand, ein Eisenkessel simmerte über dem Herdfeuer, steife Holzstühle waren an den Tisch herangezogen, doch es war nur für zwei Personen gedeckt. Keine Tischdecke. Auf der anderen Seite des Zimmers, oder im Raum nebenan, hinter der
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