Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
Vom Netzwerk:
auszusprechen, was Connie selbst niemals gewagt hätte zu sagen.
    Es stimmte, dass sie auf Sam anders reagierte als auf andere Männer. Die Jungs, mit denen sie am College ausgegangen war, waren durch die Bank angenehme Zeitgenossen gewesen – gleichmütige, freundliche Typen, die damit zufrieden waren, auf einer Studentenparty neben ihr zu stehen und sie mit Bier zu versorgen, aber auch nicht mehr. Zu den Männern in Harvard hatte Connie nie wirklich den Zugang geschafft. Alle miteinander waren sie viel zu sehr mit ihrem
Studium beschäftigt, um sich um ihr Sozialleben zu kümmern, fand Connie, doch Liz behauptete hartnäckig, dass Männer sie einschüchternd fanden. Sam wiederum war weder gleichmütig noch schüchtern. Ihre Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln, als sie an ihn dachte. Paradoxerweise fühlte sie sich mit Sam wohl und aufgewühlt zugleich; wenn sie mit ihm zusammen war, konnte einfach alles Mögliche passieren.
    Am Ende ihres gemeinsam verbrachten Tages hatte ihr Sam das Versprechen abgerungen, ihn auf dem Laufenden zu halten, wenn sie mehr über ihre mysteriöse Hexe erfuhr. Sie hatte widerstrebend genickt, ohne ihn dabei anzuschauen. Dann war der Nachtbus Richtung Salem gekommen, und sie sah ihm zu, wie er einstieg. Seine Abfahrt schien sich zu verzögern, weil er in dem Bus nach hinten ging, während dieser sich in Bewegung setzte, sodass er einen Moment lang auf der Stelle zu treten schien. Er winkte ihr zu, dann brachte ihn der Bus weg von ihr, und Connie spürte, wie sich erneut Einsamkeit über sie herabsenkte wie ein Vorhang.
    Wenn sie nun etwas über Deliverance Dane herausfinden würde, dann hatte sie einen Vorwand, einen Abstecher ins Bethaus zu machen, wo Sam arbeitete, um ihm zu berichten, worauf sie gestoßen war. Der Gedanke, etwas zu finden, das sie ihm zeigen könnte, schickte eine Welle der Erregung durch ihre Arme und Beine. Sie hatte sich im Rahmen ihrer Abschlussprüfung mit den Hexenprozessen von Salem beschäftigt, doch sie konnte sich nicht erinnern, irgendwo in der Sekundärliteratur auf jemanden namens Deliverance Dane gestoßen zu sein. Wenn Deliverance eine der angeklagten Hexen gewesen war, dann musste sie fast vollständig aus den Geschichtsakten getilgt worden sein. Noch hatte Connie keine Hypothese aufgestellt, warum das geschehen sein könnte. Eine unentdeckte Salemer Hexe! Sie beschleunigte
ihre Schritte, weil sie es kaum erwarten konnte, mit ihrer Suche zu beginnen.
     
    Am Eingang des Nachlassgerichts stand ein wuchtiger Schreibtisch, der nur mit einem sich drehenden Ventilator und einer kleinen Metallglocke ausgestattet war. Connie hieb schwungvoll mit der Hand auf den Klingelknopf der Glocke, beugte sich über den Schreibtisch und wollte gerade etwas rufen, als eine knappe Stimme hinter ihr zischte: »Ja bittttte?«
    Erschrocken fuhr Connie herum und sah eine winzig kleine, runzlige Dame mit einem strengen Knoten und Brille vor sich, die einen ausgestellten Rock und flache Markenmokassins trug. Die Arme hatte sie vor der Brust verschränkt, und ihre Lippen waren zu einem verbitterten Strich zusammengepresst.
    »Guten Tag«, sagte Connie und fasste sich wieder. »Ich bin hier auf der Suche nach einer Nachlassakte.«
    »Haben Sie einen Termin?«, fragte die Frau barsch und ließ einen missbilligenden Blick über Connies abgeschnittene Jeans und die Flipflops wandern.
    Connie schaute sich in dem stillen Archiv um, in dem weder Angestellte noch Forscher zu sehen waren, und stützte die Hände in die Hüften. »Nein, habe ich leider nicht«, sagte sie entschlossen. »Aber es wird auch nur eine Minute dauern. Ich sehe, dass Sie zu tun haben.«
    Die Frau blickte sie finster an. »So ist es«, fauchte sie. »Normalerweise lassen wir hier nur Leute rein, die einen Termin haben.«
    »In diesem Fall wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie für mich eine Ausnahme machen würden«, sagte Connie, stolz auf ihre neu entdeckten diplomatischen Fähigkeiten. »Ich suche nach einem Testament, das vermutlich etwa um I690 erlassen wurde.«

    »Die sind nach Namen sortiert, nicht nach Datum!«, bellte die Frau.
    »Verstehe«, sagte Connie, und die Muskeln in ihrem Kiefer arbeiteten, wie ein Tau, das sich um eine Klampe wickelt. »Und die Akten haben keine Querverweise auf das Datum?«
    »Nicht nötig«, sagte die Frau. Nicht nötig. Der typische Neuengländer stellte Kontinuität wie selbstverständlich über alles, einschließlich die Effizienz. Weil das immer schon so war,

Weitere Kostenlose Bücher