Das Hexenbuch von Salem
Ärger verbarg sie unter einem strahlenden Lächeln, und der Kellner zog einen Stuhl für sie unter dem Tisch hervor.
»Es freut mich sehr, dass Sie heute für mich Zeit haben. Soll ich James um die Speisekarte bitten, oder wissen Sie schon, was Sie möchten?«, fragte Chilton. Der Kellner, James, lauerte neben Connies Ellbogen, die eine Augenbraue immer noch ironisch verzogen wie vorhin, als er sie im Lesezimmer abgeholt hatte.
»Äh«, sagte Connie stutzend. Der Speisesaal mit seinen frischgestärkten und gebügelten Leinentischdecken und den silbernen Buttermessern schüchterte sie ein. Die meisten Doktoranden ernährten sich von einem Mischmasch aus allerhand Speisen, die bei irgendwelchen offiziellen Terminen in der Fakultät übrig blieben. Eine ganze Woche im letzten Semester hatten sie und Liz sich an einer Käseplatte gelabt, die sie beim Erstsemesterempfang der Altphilologen hatten mitgehen lassen. Wenn man nirgendwo etwas schnorren konnte, blieb einem nur noch die Mensa übrig, wo es tagaus, tagein entweder Spaghetti mit Tomatensoße oder Thunfischkasserolle gab. Ist schon ein Wunder, dass bei uns nicht viel mehr Studenten unter Mangelkrankheiten leiden, dachte sie, bevor ihr bewusst wurde, dass sie Professor Chiltons Frage noch nicht beantwortet hatte. James räusperte sich höflich.
»Könnte ich bitte die Speisekarte sehen?«, bat sie, wobei sie ihre Frage vage an einen Punkt zwischen Chilton und dem Kellner richtete. Eine hohe, mit Leder bezogene Karte tauchte in ihren Händen auf. Die blumigen Beschreibungen der dargebotenen Speisen kamen ihr so unverständlich vor, als wären sie in einer Fremdsprache verfasst. Als sie näher hinschaute, sah sie, dass es tatsächlich eine war: Französisch.
»Ich denke, ich nehme das Huhn«, sagte sie, in der Hoffnung, dass Huhn überhaupt auf der Speisekarte stand, die ihr jetzt aus der Hand genommen wurde, bevor James in die düsteren Katakomben des Clubs verschwand.
»Also dann«, begann Chilton und rieb sich wie in Vorfreude die Hände. »Erzählen Sie mir von Ihrer großen Entdeckung.«
Connie schaute ihn an, weil sie sich nicht sicher war, ob er sie auf den Arm nahm, kam dann aber zu dem Schluss, dass er es ernst meinte. »Ich habe die absolut perfekte und einzigartige Primärquelle entdeckt«, fing sie an zu erklären. »Mit einer gewissen Einschränkung: Ich habe Hinweise darauf gefunden, dass diese perfekte und einzigartige Primärquelle existiert. «
Chilton beugte sich vor. »Erzählen Sie«, befahl er.
Connie begann ihre Schilderung mit der Suche nach Deliverance Dane im Archiv des Bethauses von Salem, wobei sie Sam bewusst aussparte. Als sie den seltsamen Namen auf dem Zettel erwähnte, runzelte Chilton kurz die Stirn, sagte aber nichts, und Connie sprach schnell, um ihm gar keine Gelegenheit zu geben, sie zu unterbrechen. Ihre Erzählung führte bis zu ihrem Besuch im Nachlassgericht von Salem, und sie zählte ihm auf, was Deliverance hinterlassen hatte.
»Connie, ich warte immer noch darauf, dass Sie mir sagen, wohin das alles führt«, unterbrach sie Chilton. »Bis jetzt habe ich nur gehört, dass Sie eine Menge Zeit in Archiven verplempern, ohne dass allzu viel dabei herausgekommen wäre.«
Connie wischte ihren Ärger über Chiltons Kommentar beiseite, weil ihre Begeisterung größer war als ihr Bedürfnis nach seiner Zustimmung. »Aber dieses Nachlassverzeichnis hat mich verwirrt«, fuhr sie unbeirrt fort. »Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, warum die Nachlassvollstrecker ein Rezeptbuch in derselben Zeile aufführten wie Deliverances Bibel, statt es so zu behandeln wie all die anderen Bücher, die sie im Haus hatte. Warum sollte irgendein Band
der Buchhaltung finanziell gesehen den gleichen Wert haben wie ein altes Familienerbstück?« Sie nahm einen Schluck Eiswasser.
In diesem Moment tauchte James wieder neben ihr auf, stellte eine Platte mit dampfendem Hühnerfrikassee auf den Tisch zwischen ihr Silberbesteck und einen Teller mit gegrilltem Lachs vor Chilton. »Haben Sie sonst noch einen Wunsch, Sir?«, fragte James. Chilton schaute Connie fragend an. Sie zuckte mit den Schultern.
»Momentan nicht, danke, James«, lehnte Chilton ab. Sie lächelte dem Kellner zerknirscht zu, der ihr ein winziges Augenrollen schenkte, bevor er den Abgang machte.
»Nun, Deliverance hat alles ihrer Tochter Mercy vermacht«, erklärte sie dann weiter. »Deshalb dachte ich, wenn das Buch so wichtig war, dann würde es vielleicht auch in Mercys
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