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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Nachlass auftauchen.« Connie gestikulierte mit ihrer Gabel, und ein Hauch der Missbilligung huschte über Chiltons Gesicht.
    »Soso«, sagte er und widmete sich seinem Fisch.
    »Aber stellen Sie sich vor«, sagte Connie. »Ich konnte Mercy nirgendwo finden. Ich weiß, dass die Akten aus dieser Zeit manchmal unvollständig sind, aber es kam mir einfach komisch vor, dass sie ohne jegliche Spur daraus verschwunden sein sollte. Doch dann merkte ich, dass ich einfach vor lauter Bäumen den Wald nicht gesehen hatte.«
    »Inwiefern?«, fragte Chilton und schaute sie aufmerksam an.
    »Sagen Sie mal ›Mercy‹.«
    »Wie bitte?«, fragte Chilton entsetzt.
    »Sie sprechen noch den guten alten Brahmanen-Akzent, Professor Chilton«, sagte Connie und fragte sich, ob sie damit jetzt eine Grenze überschritt. Wussten Menschen mit Akzent überhaupt, dass sie mit Akzent sprachen? Hoffen wir
bloß, dass Chilton Humor hat , dachte Connie, obwohl ihre Erfahrungen der vergangenen Jahre mit ihm nicht gerade Anlass zu dieser Hoffnung boten. Na ja. »Bitte, tun Sie mir den Gefallen.«
    »Maahcy«, sagte er, ohne die Miene zu verziehen.
    »Genau«, sagte Connie. »Das r wird nicht gesprochen, der Vokal dafür langgezogen. Und jetzt sagen Sie doch bitte den Namen, den man M-a-r-c-y buchstabiert.«
    » Maahcy «, sagte Chilton erneut.
    »Genau!«, rief Connie aus und fuchtelte erneut mit ihrer Gabel herum. »Nach phonetischer Schreibweise, die ja bekanntermaßen unsere Rechtschreibung prägte, bevor sie durch Wörterbücher und Korrektoren geregelt wurde, sind die Namen ›Mercy‹ und ›Marcy‹ ein und derselbe.« Sie spießte ein zu großes Stück Huhn mit ihrer Gabel auf und kaute triumphierend. Chilton lächelte angesichts ihrer Begeisterung, und sie nahm erfreut zur Kenntnis, dass sie ihn offenbar langsam auf ihre Seite ziehen konnte. »Und als ich dann nach Marcy Dane gesucht habe«, fügte sie hinzu, »habe ich alle möglichen Sachen gefunden. Es stellte sich sogar heraus, dass ich in den Archiven der First Church bereits mehrfach über sie gestolpert war, ohne zu wissen, dass sie wichtig ist.«
    »Inwiefern?«, drängte Chilton sie weiter.
    »Ich konnte nicht genau herausfinden, wann sie geboren war, aber sie gehörte ihr gesamtes Leben als Erwachsene der First Church in Marblehead an und war die ganze Zeit wohl angesehen. Sie heiratete einen Mann namens Lamson in Salem, doch seinen Vornamen habe ich bisher noch nicht rausgefunden. Im Jahre I7I5 war sie in irgendeinen Rechtsstreit verwickelt. Und sie starb I763. Es gibt einen Nachlass.« Sie hielt inne, um noch einen Schluck Wasser zu trinken, und sah, dass Chilton mittlerweile völlig gebannt war, obwohl sie
den Verdacht hatte, dass er immer noch nicht wusste, worauf das alles hinauslief.
    »Und?«, fragte er.
    »Und in ihrem Nachlassverzeichnis ist, zusammen mit dem Haus, das Deliverance ihr vererbt hat, etwas beschrieben als: Buch – Rezepte für Medizin .«
    »Noch ein Hauptbuch?«, wollte Chilton wissen.
    »Das habe ich mich auch zuerst gefragt«, sagte Connie. »Aber bei meinen Nachforschungen in der Stadt bin ich auf interessante Zeugnisse gestoßen.« Sie beschrieb ihm den Grenzstein mit seinen sonderbaren Einritzungen. Wieder ließ sie Sam unerwähnt. Sie war sich nicht sicher, ob das daran lag, dass sie Chilton mit ihrem Scharfsinn als Forscherin beeindrucken wollte, oder ob sie das warme Gefühl, das sie jedes Mal durchströmte, wenn sie an Sam dachte, einfach für sich behalten wollte. Selbst in diesem Moment, in dem sie Chilton am Tisch gegenübersaß, in einem Kleid, in dem sie sich nicht wohlfühlte, schenkte allein schon der Gedanke an Sam Connie das Gefühl, größer zu sein, lebendiger. Ein angenehmes Prickeln wanderte von der Krone ihres Kopfes bis zu ihrem Nacken, und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
    »Connie, ich kann Ihnen nicht folgen«, sagte Chilton. »Was hat denn ein Grenzstein mit einem Hauptbuch zu tun?«
    »Nun«, antwortete Connie und verputzte den Rest ihres Hähnchens, »der Grenzstein ist volkskundlich ein Beispiel für magisches Denken in der wirklichen Welt. Denken Sie doch nur daran zurück, was wir sicher über Deliverance Dane wissen. Sie wurde I692 exkommuniziert. In Salem.«
    »Exkommunikation ist innerhalb der religiösen Strukturen der Puritaner wohl kaum etwas Ungewöhnliches«, hob Chilton hervor.

    »Aber es war auch das Erste, was geschah, wenn jemand wegen Hexerei vor Gericht gestellt und verurteilt worden war!« Sie hieb vor

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