Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
Vom Netzwerk:
Spiegel anschaute, entdeckte sie, dass mitten auf ihrem Kopf noch ein Büschel Haare nach oben stand.
    »Verflixt«, sagte sie und löste alles noch einmal auf. Sie hielt den Kamm unters Wasser und fuhr sich damit so fest durchs Haar, dass sich die Zähne des Kammes in ihre Kopfhaut bohrten. Irgendwie hatte sie die Kunst, adrett auszusehen, nie richtig beherrscht. Wenn man sich bei einer bestimmten Gelegenheit chic machen musste, war sie nervlich immer ein Wrack, weil sie Angst hatte, kleidungsmäßig in irgendwelche Fettnäpfchen zu treten. Während sie sich noch einmal ihren Zopf flocht, brummelte sie vor sich hin. Warum hatte Professor Chilton eigentlich überhaupt darauf bestanden, hier mit ihr zu Mittag zu essen? Ebenso gut hätten sie sich auch in seinem Büro treffen können. Normalerweise bat er Doktoranden nur hierher, wenn es etwas zu feiern gab. Oder um sie einzuschüchtern.
    »Blöd«, sagte sie, wickelte einen Haargummi um das Ende des Zopfes und warf ihn sich schwungvoll über die Schulter. Sie schaute sich im Spiegel an. Hinter einer fleischigen
lila Orchidee, die das Gesichtsfeld über dem Waschbecken hauptsächlich einnahm, zeigte der Spiegel das Bild einer jungen, blauäugigen Frau in einem etwas unförmigen Blumenkleid, dessen grundlegend konservativer Charakter, wie sie hoffte, seinen Mangel an Chic und Schnitt wettmachte. Praktische Riemchenschuhe waren an die Stelle ihrer sonst üblichen Flipflops getreten. Connie seufzte. Sie hätte sich etwas von Liz leihen sollen.
    »Lächerlich«, sagte sie laut, nicht sicher, ob dieser Kommentar nun auf die Situation gemünzt war oder auf ihr Outfit. Sie schaute auf die Uhr, beschloss, dass ein Verstecken im Bad nicht länger gerechtfertigt war, und machte die Tür auf.
    Doktoranden wagten sich normalerweise nie in den Lesesaal des Clubs, und als Connie eintrat, fragte sie sich, warum eigentlich. Er war sehr einladend konzipiert. Tiefe, plüschige Sofas und Lehnstühle aus glänzendem Leder standen jeweils am Ende von flachen Couchtischen, und die Teppiche auf dem Boden waren durch Jahrzehnte ungefilterte Sonnenbestrahlung und die unzählbaren Tritte der Besucher ausgeblichen und verschlissen. Mehrere gemalte Gesichter klerikaler Harvard-Absolventen, die längst tot waren, blickten gütig auf den Raum hinab. Es roch beruhigend hier, eine Mischung aus Holzpolitur, Kaffee und aromatisiertem Pfeifentabak. Und doch schreckten die Doktoranden davor zurück, hierherzukommen, als könnte die sauerstoffarme Luft hier drinnen giftig sein.
    An diesem Nachmittag kam der süßliche Geruch nach Pfeifentabak von einem weißhaarigen Herrn, der sich unter einer Standuhr auf dem Diwan niedergelassen hatte, eine offene Zeitung auf gleicher Höhe wie die goldene Brille auf seiner Nase. Er raschelte mit dem Blatt und paffte, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen. Connie begab sich zum anderen Ende des Raumes, um zu warten.

    Sie musste zugeben, dass die Aussicht darauf, Professor Chilton zu erzählen, was sie bisher herausgefunden hatte, sie mit großer Erregung erfüllte. Allein die Vorstellung, wie überrascht er sein würde! Voller Vorfreude wippte sie mit einem Fuß, und ein schiefes Grinsen stahl sich in ihre Mundwinkel.
    »Miss Goodwin?«, fragte jemand, und Connie fuhr zusammen. Sie hatte nicht gehört, wie sich der Kellner näherte.
    »Ja?«, erwiderte sie und zupfte nervös am Saum ihres Kleides.
    »Professor Chilton bittet Sie zu sich in den Speisesaal«, sagte der Kellner und grinste dabei so unauffällig, dass es höchstens eine ausgebuffte Zynikerin wie Connie überhaupt bemerkt hätte. Natürlich kann er nicht persönlich kommen, um Sie zu holen , sagte das Grinsen. Connie seufzte.
    »Dann geh ich wohl am besten einfach in den Saal«, sagte sie und erhob sich.
    »Sehr gut, Miss Goodwin«, sagte der Kellner und deutete eine winzige Verbeugung an.
     
    Im Speisesaal waren die Vorhänge zugezogen, um die Nachmittagssonne auszusperren, und Connie musste ein wenig im Halbdunkel suchen, bevor sie Manning Chilton entdeckte, der an einem Tisch in einer plüschverkleideten Nische saß. Er las ein gehaltvolles Buch – Alchemistische Praxis als moralische Reinheit -, das er rasch in eine Mappe unter dem Tisch steckte, als sie sich näherte.
    »Connie, mein Mädchen«, sagte und erhob sich zu einem würdevollen halben Diener. Jetzt fängt der schon wieder mit diesem »mein Mädchen« an, dachte Connie, als sie die Hand ihres Doktorvaters schüttelte. Ihren aufkommenden

Weitere Kostenlose Bücher