Das Hexenkloster
im Jahr sah. Er hatte ihm von sich und seiner Ma erzählen wollen, aber dazu war es nicht gekommen.
Marnie hatte ihn erwischt!
Dabei war der Mann, den er getroffen hatte, so nett gewesen. Der hätte ihn bestimmt ein Stück mitgenommen, doch dann war Marnie so brutal gewesen. Sie hatte ihn umgehauen – einfach so! – und die Angst vor dieser Frau war bei ihm noch größer geworden.
Jetzt steckte er unter der Erde.
Kevin hatte zwei Ohren, um zu hören. Deshalb wusste er, was sich die Frauen so alles erzählten. Es gab nicht eine, die vor dem Keller keine Angst hatte. Hier unten sollte etwas Schreckliches passieren. Manche hatten sogar von einer Abteilung der Hölle gesprochen, die hier in der Tiefe lag.
Alles, was mit Hölle und Teufel zusammenhing, trieb die Furcht bei dem Jungen noch höher. Hin und wieder hatte er im Fernsehen einen Film gesehen, der eigentlich nicht für Kinder bestimmt gewesen war. Da war die Hölle beschrieben worden. Es musste sich um den schrecklichsten und schlimmsten Ort überhaupt handeln, und jetzt befand er sich in dessen Nähe.
Geweint hatte Kevin auch, er wollte es nicht, aber er hatte so gefroren. Er bekam Hunger und Durst und jammerte nach seiner Mutter, die ihn nicht hören konnte.
Hier unten hörte ihn sowieso niemand. Nicht mal der Liebe Gott, und der hörte und sah doch sonst alles.
Es gab noch eine Furcht, die Kevin peinigte. Das war die Angst vor den Ratten. Er hatte mal darüber gehört, als die Erwachsenen von den Tieren sprachen. Sie alle hassten die Ratten, und ein Mann hatte mal gemeint, dass sie sich vermehren würden. Besonders in alten Kellern hielten sie sich auf und auch in Abwasserkanälen.
Kevin steckte in einem Keller. Verborgen und vergessen. Tief in der Erde.
Es war still um ihn herum. Das Trippeln kleiner Rattenfüße hörte er nicht, was ihm durchaus etwas Hoffnung gab. Furcht hatte er nur vor den Frauen, den Aufpasserinnen.
Er wollte nicht steif werden. Deshalb ging er immer von einer Wand zur anderen und passierte dabei die dicke Holztür. Sie schloss nicht sehr dicht. An beiden Seiten befand sich ein Spalt. Durch sie konnte er in den finsteren Gang hineinschauen, in dem überhaupt kein Licht brannte. Immer wenn Kevin an das Licht dachte, dann fielen ihm automatisch die Kerzen ein, die inzwischen schon ziemlich heruntergebrannt und um die Hälfte kleiner geworden waren.
Wenn sie ganz erloschen, war es finster. Und im Finstern kamen bestimmt die Ratten.
Kevin fing wieder an zu weinen. Er sehnte sich so sehr nach seiner Mutter. Er hatte nach ihr geschrien, aber es war niemand da, der ihn hatte hören wollen.
So blieb er auch weiterhin mit seiner Angst allein und lehnte sich gegen das dicke Holz der Tür, das nicht so feucht war wie die Wand.
Da passierte doch etwas.
Er hörte Geräusche!
Kevin zuckte zusammen. Sie waren von draußen her an seine Ohren gedrungen. Er konnte im ersten Moment nicht unterscheiden, worum es dabei ging. Darum presste er jetzt sein Gesicht gegen den Spalt an der rechten Türseite.
Der Gang wurde hell. Er sah das Flackern, er hörte Schritte, er sah die Frauen, und er hörte ihre Stimmen.
Sie flüsterten miteinander. Jedes Wort klang böse. Auch zischend. Manche stöhnten sogar auf, sodass es sich anhörte, als würden sie knurren. Die unheimlichen Worte machten dem Jungen Angst. Sein Herz schlug viel kräftiger als sonst. Am liebsten hätte er sich wieder zurückgezogen, doch die Neugierde war stärker. Und so blieb er stehen und schaute durch die Lücke.
Ja, sie waren da. Er kannte sie, auch wenn ihre Gesichter durch das Licht fleckig aussahen. Sie alle hatten sich umgezogen. Sie trugen dunkle Kleider, die bis zum Boden reichten. Mit den Säumen schleiften sie darüber hinweg, aber beim Gehen glitt der Stoff an verschiedenen Stellen auseinander, sodass der Junge die nackte Haut der Beine sah.
Seine eigene Furcht hatte er vergessen. Er wusste nicht, was er noch denken sollte.
Auf seine Tür kamen sie zu. Er wusste nicht, ob sie Vorbeigehen oder stehen bleiben würden, um sich mit ihm zu beschäftigen. Beides machte ihm Angst.
Sie gingen vorbei. Er sah auch die Fackeln, die ihnen den Weg leuchteten. Das Feuer tanzte zuckend in der Luft, machte den dunklen Flur zwar heller, aber auch unheimlich für den heimlichen Beobachter. Kevin spürte die Gänsehaut, die an seinem Rücken entlang nach unten glitt. So etwas hatte er noch nie erlebt. Das war einfach nur unheimlich, aber in einem Harry-Potter-Film war es auch so
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