Das Hexenkloster
Büchern gesehen hatte. Alte Holzschnitte aus vergangenen Zeiten. In dieser Zeit hätte man von Sex und Gewalt gesprochen, jedenfalls hatten sich die Hexen dem Satan stets hingegeben und alles getan, was er von ihnen verlangte. Das waren oft die unmöglichsten Dinge.
Doch vom Teufel hatte Kelly hier noch nichts gesehen und es war auch nicht von ihm gesprochen worden. Es gab ja Menschen, die behaupteten, dass man den Teufel riechen konnte, weil er nach Schwefelgasen stank. Hier roch sie nichts. In diesem Keller blieb die Luft gleichmäßig kühl und feucht.
Je weiter sie nach vorne ging, umso klarer wurde ihr Blick. Sie sah auch, was mitten in diesem Gewölbe stand und von dem grünlichen Licht umspielt wurde.
Es war ein Balken, ein Pfahl, der vom Boden her in die Höhe ragte und wesentlich länger war als sie groß.
Es hatte ihr niemand gesagt, aber sie wusste verdammt genau, dass nur dies allein ihr Ziel sein konnte. Eine andere Möglichkeit gab es für sie nicht.
Die drei Hexen blieben an ihrer Seite. Für Kelly waren es jetzt Hexen und keine normalen Frauen mehr. Der Weg führte sie unablässig auf diesen Gegenstand zu, und Kelly kam jetzt in den Sinn, was mit ihr ablaufen würde.
Es gab keine andere Möglichkeit. Es war der Pfahl, der für sie gedacht war. Sie musste daran festgebunden werden, um zu warten.
»Siehst du ihn?«, flüsterte eine der Hexen Kelly zu.
»Ja...«
»Er ist für dich.«
»Und warum?«
»Das wirst du schon erleben, meine Liebe.«
»Soll ich auf den Teufel warten?« Kelly erschrak selbst über ihre eigene Frage.
Die Hexe stieß ein leises Lachen aus. »Sehr gut, du denkst mit«, antwortete sie im nächsten Moment. »Aber so ist es nicht. Es geht uns nicht um den Teufel, obwohl wir dagegen auch nichts hätten.«
»Um was geht es dann?«
»Lass dich überraschen.«
Darauf hätte sie gut und gern verzichten können, aber sie wusste, dass es nicht so sein würde. Sie war von den Hexen ausgesucht worden. Das alles war passiert, nachdem Ike diesen Jungen und auch die fremde Frau getroffen hatte, die sicherlich zu den Hexen zählte.
Vor dem Pfahl bleiben sie stehen. Kelly betrachtete ihn genau. Sie stellte fest, dass er aus Holz bestand, das sehr glatt geschliffen worden war, aber an den Kanten nicht abgerundet.
Wenig später war alles anders. Mehrere Hände griffen zu und drehten Kelly herum. Plötzlich schaute sie nicht mehr gegen den Pfahl. Jetzt befand er sich in ihrem Rücken.
Eine Frau drückte sie dagegen.
Eine zweite riss ihre Arme in die Höhe.
Woher die dritte Person die Stricke hatte, wusste Kelly nicht. Aber sie waren da und dienten dazu, sie an den verdammten Pfahl zu fesseln.
Man legte ihr ihre Hände über Kreuz verschränkt auf die Brust. Mit geschickten Bewegungen wurden sie festgezurrt.
Ein zweites Seil schlang jemand um ihre Taille. Es war so stramm, dass sie sich nicht von dem verdammten Pfahl wegbewegen konnte. Jede der Frauen prüfte die Qualität der Fesselung nach, und alle waren zufrieden.
Kelly Turner sagte nichts. In den letzten Sekunden war ihr Adrenalinspiegel wieder gestiegen, und sie lauschte selbst ihren heftigen Atemzügen nach.
Noch standen die drei Weiber vor ihr und schauten sie mit starren Blicken an. Sie lächelten und die Frau in der Mitte übernahm das Wort.
»Das ist deine nahe Zukunft, Kelly«, sagte sie. »Du wirst hier am Pfahl bleiben, und wir sind gespannt, ob unsere neue Freundin auch angenommen wird.«
»Von wem?« Trotz der Furcht war die Neugierde vorhanden. Kelly wollte wissen, wie es weiterging.
»Da musst du dich schon überraschen lassen«, erwiderte die mittlere der drei Hexen. »Aber eines ist sicher. Der Teufel wird dich nicht zu sich holen...«
Wenn überhaupt, dann war es für Kelly Turner nur eine geringe Beruhigung. Sie sah hilflos zu, dass sich die drei Frauen umdrehten.
Kein Worte mehr zum Abschied.
Sie gingen weg und damit der Dunkelheit entgegen. Kelly Turner hatte das Gefühl, als würden sie sich auflösen.
Jetzt war sie allein.
Nein, es gab noch einen Begleiter, nur war der unsichtbar – die kalte Furcht...
***
Tränen liefen über Ellen Rankin’s Gesicht, als sie ihren Sohn Kevin anschaute. Der Junge war wieder zurückgekehrt. Plötzlich hatte er in dem kleinen Zimmer gestanden. Weinend, zitternd, aber körperlich gesund. Man hatte ihm nichts angetan.
Sie hatte ihren Sohn in die Arme genommen und fest an sich gedrückt. Sie hatte auf ihn eingeredet und ihn gefragt, wo er in all den dunklen
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