Das Hexenkloster
Stunden der Nacht gesteckt hatte.
Eine Antwort hatte sie nicht bekommen. Kevin war völlig verschlossen. Das musste an dem liegen, was er durchlitten hatte.
Ellen Rankin hatte dies akzeptiert. Sie wollte alles wieder so normal wie möglich sein lassen, und deshalb hatte sie ihrem Sohn auch geraten, sich zu duschen.
Kein Protest. Alles lief wieder völlig normal ab. Danach wurden ihm frische Sachen angezogen. Ellen fragte nicht danach, warum er verschwunden war. Der Junge brauchte Zeit, und sie musste jetzt zur Arbeit in die Wäscherei.
»Du bleibst bitte hier, nicht wahr? Du gehst nicht mehr weg.« Sie kniete vor ihrem Sohn und schaute ihn an.
Er nickte.
»Versprichst du mir das, Kevin?«
»Ja, versprochen.«
»Sehr gut, dann gehe ich jetzt. Und ich will nicht, dass Marnie Steel dich noch einmal zurückbringt.«
»Nein, nein.«
Ein gutes Gewissen hatte Ellen Rankin trotzdem nicht, als sie das Zimmer verließ. Die Arbeit in der Wäscherei war ein harter Job. Da waren bewusst keine modernen Maschinen angeschafft worden. Alles lief noch über Wasserdruck, und es musste auch viel mit den Händen gewaschen und ausgewrungen werden.
Drei Tage in der Woche war Ellen Rankin zu dieser Arbeit eingeteilt. Die übrigen Tage verbrachte sie in der Näherei oder auch in einer kleinen Werkstatt, denn einige Reparaturen übernahmen die Frauen selbst.
In der Wäscherei dachte sie fast nur an ihren Sohn und was er hinter sich hatte. Dass er geflohen war, hatte man ihr gesagt. Das war am letzten Tag gewesen. Inzwischen war auch eine Nacht vergangen, und wo der Junge sie verbracht hatte, wusste seine Mutter nicht.
Deshalb wurden die Sorgen nicht kleiner. Sie hoffte, dass die Zeit schnell vorbeiging. Sie tat ihre Pflicht, doch wenn sie angesprochen wurde, hob sie nur die Schultern. Eine andere Antwort kannte sie nicht, das mussten die anderen Frauen schließlich akzeptieren.
Die Zeit blieb nicht stehen und endlich war der Feierabend da. Ellen konnte wieder hoch in ihr Zimmer. Eine Zelle war es nicht, trotz der geringen Ausmaße, denn es fehlten die Gitter vor dem kleinen Fenster.
Als Ellen Rankin die Tür aufdrückte, klopfte ihr Herz schon schneller. Wenig später atmete sie erleichtert auf, denn sie sah ihren Sohn im Bett liegen.
Er schlief. Er musste erschöpft sein, nach dem, was er alles hinter sich hatte.
Die Frau ließ ihn schlafen. Sie fand es als zu warm im Raum und öffnete deshalb das Fenster. Ob Kevin das Kloster durch das Fenster oder auf eine andere Art und Weise verlassen hatte, das wusste sie nicht. Und sie glaubte auch nicht daran, dass er es ihr sagen würde. Da hatte er seinen eigenen Kopf.
Im Prinzip konnte sie ihrem Sohn wegen des Ausbruchs keinen Vorwurf machen. Ellen Rankin selbst hatte ebenfalls einen Versuch gestartet, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen. Nicht durch einen Fluchtversuch, sondern durch eine kurze Nachricht, die eine gewisse Sheila Conolly erreichen sollte, damit sie etwas unternahm.
Ellen hatte Sheila Conolly bei deren Besuch im Kloster kennen gelernt. Diese Frau war ihr nicht nur sympathisch gewesen, man konnte auch ein gewisses Vertrauen zu ihr entwickeln. Ellen hatte ein Band gespürt, dass sich zwischen ihr und Sheila aufgebaut hatte.
Jetzt konnte sie nur hoffen, dass Sheila Conolly die Nachricht auch bekam und etwas unternahm. Die Botschaft war ja nicht nur aus einer Laune heraus geschrieben worden. Da gab es schon handfeste Gründe. In der Tat hatten sich einige Gefangene verändert gezeigt. Zunächst waren sie für eine Weile verschwunden gewesen, und als sie dann wieder auftauchten, da hatten sie sich seltsam benommen und hatten flüsternd von einer Hexe gesprochen. Die Wärterinnen hatten das einfach akzeptiert, oft genug mit einem wissenden Lächeln und glänzenden Augen.
Zunächst hatte Ellen nicht viel auf das Gerede gegeben, dann aber hatte sie in einer Nacht, als sie keinen Schlaf fand, die unheimlichen Geräusche gehört. Sie hatte die Aufpasserinnen entdeckt und auch, die Gefangenen, wie sie in den Keller gegangen waren, um sich dort zu versammeln. Sie hatten in einem Kreis zusammengesessen und über eine andere Welt gesprochen, in der es eine Herrin der Hexen gab.
Das alles war ernsthaft gewesen, sodass Ellen Rankin nicht an eine Spinnerei glaubte.
Sie war noch nicht darauf angesprochen worden, an einer dieser Sitzungen teilzunehmen, und sie hoffte auch, dass dies niemals eintreten würde. Trotzdem waren ihr die Vorgänge suspekt, und deshalb hatte sie die
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