Das Hexenkloster
Deshalb konnte sie sich auch nicht ausrechnen, wann sie wieder Besuch bekommen würde.
Aber der Besuch kam. Man hatte sie nicht vergessen. Kelly hörte das Geräusch, das vor ihr erklang und mit einer Tür Zusammenhängen musste. Wenn es ertönte, dann dauerte es jedes Mal nicht mehr lange, bis sie die Tritte hörte und die ebenfalls in dunklen Kleidern steckenden Frauen erschienen.
Diesmal war es anders.
Das Geräusch blieb, aber das der Schritte war sehr leise. Kelly spitzte die Ohren, und ihr wurde bald klar, dass sich der Besuch stark reduzierte hatte. Sie rechnete mit nur einer Person, und sie sollte Recht behalten.
Eine Gestalt schälte sich aus der Dunkelheit hervor.
Sie schien sich wie ein Geist zu materialisieren. Es handelte sich um eine Frau, die eine andere Kleidung trug als die Übrigen. Diese war zwar auch dunkel, aber kein Kleid mit einem Ausschnitt wie es bei Kelly der Fall war.
Marnie Steel war die Chefin, und so trat sie auch auf. Sie erinnerte an einen weiblichen Sergeant, und sie nahm zwei Kerzen samt Ständer mit, die sie zu beiden Seiten der Gefangenen aufstellte.
Nachdem dies geschehen war, kam sie aus ihrer gebückten Haltung wieder hoch und schaute Kelly Turner direkt an. Sie sprach kein Wort und beobachtete nur. Dabei zeigten die Lippen ein irgendwie bösartiges Lächeln, das nichts Gutes verhieß.
»Was wollen Sie?«, flüsterte Kelly Turner. »Verdammt, warum kommen Sie zu mir?« Sie musste sich schon anstrengen, um die Sätze überhaupt hervorzubringen.
Die Antwort war ungewöhnlich. Mit den Fingerkuppen strich sie über die Wangen der Gefesselten. »Ich will dich, und ich habe dich. Es ist so wunderbar, denn wir haben mit dir den richtigen Griff getan. Es ist alles so perfekt. Ich sage dir schon jetzt, dass du in unseren Kreis hineinpassen wirst.«
Kelly Turner war überrascht. Dass man sie so ansprechen würde, damit hatte sie im Traum nicht rechnen können, und sie fragte sich, was die Worte bedeuteten.
»Hast du mich verstanden?«
»Ja, das habe ich.«
»Und?«
»Ich kann es nicht verstehen«, gestand Kelly.
»Wieso gehöre ich zu euch? Wer seid ihr denn? Ihr seht nicht anders aus als ich. Und trotzdem seht ihr euch als andere Personen an. Das will in meinen Kopf nicht hinein. Das kann ich nicht begreifen.«
»Du wirst es bald.«
Kelly holte Luft. Dass sie gefesselt war, vergaß sie in diesen Augenblicken. Und sie hatte sich auch daran gewöhnt, dass die Stricke in ihre Haut schnitten. Es war einfach alles so ungewöhnlich geworden. Sie kam sich vor, als hätte sie ihr normales Leben verlassen und wäre in ein anderes getaucht.
»Kannst du nicht deutlicher werden?«, bat sie.
»Deshalb bin ich hier. Als Frau gehörst du zwar zu uns, aber wir wollen, dass du mehr wirst. Du sollst einen anderen Weg beschreiten. Wir wollen, dass man dich in den Kreis aufnimmt, und das ist bereits beschlossene Sache.«
»In welch einen Kreis.«
»In den der Hexen. Um es genau zu sagen, meine Liebe, bist du in die Hexenfalle getappt. Du arbeitest hier zwar nicht, aber es gibt jemand, der dich haben will...«
Kelly sagte nichts mehr. In ihrem Kopf rotierte es. Sie fühlte sich bereits als Gefangene, aber wer wollte sie haben? Das Wort Hexe war gefallen, und für Kelly war es das Sprungbrett zum Teufel. Hexe und Teufel gehörten für sie zusammen, und jetzt wusste sie nicht, vor wem sie mehr Angst haben sollte. Vor der Hexe oder vor dem Teufel wobei der Teufel ihr schlimmer vorkam.
»Also bist du wirklich eine Hexe«, flüsterte sie Marnie Steel zu.
»Hmmm...« Sie dehnte den Laut, als hätte man ihr etwas Besonderes zu essen gegeben. Mit fast schon trauriger Stimme gab sie die Antwort. »Ich wollte, ich wäre eine Hexe, aber ich bin noch nicht so weit. Nur bin ich bereit für den inneren Zirkel. Das hat sie mir zu verstehen gegeben.«
Eine neue, eine weitere Person war ins Spiel gekommen, und Kelly flüsterte: »Wer ist sie?«
»Sie heißt Assunga!«
Ein neuer Name, aber wieder einer, der Kelly Turner nichts sagte. Sie wiederholte ihn leise.
Marnie fragte: »Du kennst sie nicht?«
»Nein.«
»Sie ist eine Königin!«, flüsterte Marnie voller Ehrfurcht.
»Na und ?«
»Sprich nicht so liederlich von ihr. Du wirst sie erleben. Sie ist eine Königin unter den Hexen. Sie regiert die Hexenwelt und freut sich immer, wenn sie neuen Nachschub begrüßen kann, um den Kreis ihrer Dienerinnen zu vergrößern. Es ist auch für mich noch immer ein kleines Wunder, aber ich erlebe jeden Tag
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