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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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Auftritt
fehlte es gottlob nicht an Theatralik. Von Kopf bis Fuß in einen Kapuzenmantel
aus Samt gehüllt, erschien sie plötzlich wie ein schwarzer Geist im Türrahmen.
Zwei riesige Nubier rahmten sie ein. Die Schwarzen trugen nichts außer einem Schurz
aus Leopardenfell, der den Blick auf ihre mit merkwürdigen Tätowierungen übersäten
Körper frei ließ. Auf ihren Häuptern balancierten sie ausgestopfte Leopardenköpfe.
Beatrice bezeichnete ihr zu folgen. Was soll das? dachte Emilia und verharrte
auf der Stelle. Will das Weib mich auf die Schlachtbank führen? Die Herzoginmutter
seufzte. Beinahe freundlich sagte sie zu ihr: „Entweder Ihr folgt mir
freiwillig, oder diese beiden Männer werden Euch dabei behilflich sein. Ihr
habt die Wahl! Wie entscheidet Ihr Euch?“
    Vor diese
nicht gerade einladende Alternative gestellt, hielt es Emilia für angebracht,
sich fürs Erste zu fügen. Beatrice warf ihr einen ebensolchen schwarzen Umhang
zu, wie sie selbst ihn trug. „Hüllt Euch darin ein.“
    Dies war der
erste Befehl, den Emilia nicht ungern befolgte. Das ruinierte Negligé war durch
ein Gleiches ersetzt worden und enthüllte mehr, als es verbarg. Zu ihrem
Erstaunen führte Beatrice sie jedoch nicht die Treppe hinauf, wo Emilia die Gemächer
ihres Gemahls vermutete - stattdessen folgten sie der Treppe nach unten.
    In der
Eingangshalle steuerten sie eine unscheinbare Pforte hinter der Treppe an. Dem
Geruch nach, welcher Emilia in die Nase stieg, führte sie in einen
Vorratskeller. Emilia unterschied den Duft von Äpfeln und getrockneten Kräutern,
alles überlagert von dem unverwechselbaren Geruch gärender Trauben. Sie stiegen
eine Steintreppe hinab und die Luft wurde merklich kühler. Sie mündete in einen
langen Gang. Eine endlose Reihe von Weinfässern tat sich vor ihnen auf und
verlor sich in der Ferne. Beatrice steuerte zielstrebig auf eines davon zu. Sie
drückte den Messinghahn wie eine Türklinke, der Deckel des Fasses klappte
geräuschlos zur Seite und sie kletterten hinein. Am anderen Ende fand sich
Emilia in einem grob in den Felsen gehauenen Stollen wieder. Fackeln staken in
eisernen Halterungen entlang der Wände. Mehrere Minuten schritten sie
schweigend dahin. Emilia hielt den Kopf gesenkt und konzentrierte sich auf ihre
Füße, die in goldenen Schnürsandalen steckten.
    Ein hell
erleuchtetes Portal am Ende des Tunnels bezeichnete Emilia, das sie ihr Ziel
erreicht hatten. Zwei weitere riesige Schwarze im Lendenschurz flankierten das
Tor. Ihre Hände umfassten lange goldene Speere. Voller Ehrfurcht neigten sie ihre
tätowierten Oberkörper vor der Herzoginmutter. Die beiden Flügel des Portals
öffneten sich wie von Zauberhand und Emilia und die Herzoginmutter schritten
hindurch. Die Wachen, die sie bis hierher geleitet hatten, blieben zurück. Das
Portal schloss sich mit einem endgültigen Laut, der Emilia durch Leib und Seele
fuhr.
    Sie fand
sich allein mit ihrer Schwiegermutter.
    Emilia
versuchte, ihre Furcht abzuschütteln und sah sich aufmerksam um. Der Raum, den
sie betreten hatten, war rund und maß ungefähr acht Meter im Durchmesser, die
hohen Wände ringsum mit roten Stoffbahnen verhüllt. Emilia kam sich vor, als
stünde sie in der Mitte eines antiken Amphitheaters. In eisernen Feuerkörben
brannten dicke Holzscheite. Sie spendeten nicht nur Licht und Wärme, sondern
verströmten darüber hinaus aromatische Gerüche. Das Gefühl, in einem surrealen
Traum gefangen zu sein, verstärkte sich.
    Seit dem
Betreten des Raumes spürte Emilia den lauernden Blick Beatrices auf sich
geheftet. Sie wich ihm aus. Der Boden war mit seltsamen, konzentrischen Zeichen
bedeckt. So merkwürdig sie auch schienen, sie kamen Emilia vertraut vor. Mit
leisem Staunen erkannte sie die Runen wieder, die sie auf dem Druidenstein im
Wald nahe Santo Stefano gesehen hatte. Nicht nur ihre Kopfhaut, auch ihre Füße
und Beine begannen jetzt zu kribbeln. Bestürzt stellte sie fest, dass vom Boden
Schwingungen ausgingen, als würde er unter ihr vibrieren. Im ersten Moment
dachte sie an ein Erdbeben, doch dies hier fühlte sich anders an. Der Boden
verhielt sich zu ihr beinahe wie ein lebendiges Wesen. Aber wie sollte dies
möglich sein? Beatrice beschränkte sich darauf, sie weiter zu beobachten.
Plötzlich hatte Emilia eine Eingebung. Sie begriff, dass sie einem Test
unterzogen wurde.
    Kampfeslustig
fuhr sie Beatrice an: „Was soll dieses Theater? Wo sind wir? Nach einem
Brautgemach sieht mir dies jedenfalls nicht aus.

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