Das Hexenkreuz
Druckerschwärze und Galleisentinte ein, der sich mit dem
würzigen Virginiatabak seines Vaters mischte.
Als kleiner
Junge hatte er sich oft hereingeschlichen und seinem Vater beim Briefeschreiben
zugesehen. Der unverwechselbare Geruch des Raumes und das Geräusch der Feder,
die über das Pergament huschte, blieben für ihn untrennbar mit den guten Jahren
seiner Kindheit verbunden. Was konnte er seinem Freund raten, fragte er sich
zum wiederholten Male.
Emanuele
ahnte, welch inneren Konflikt Francesco ausfocht. Sein Freund war ein Mann der
Pflicht und doch widerstrebte es ihm sichtlich ebenso wie ihm, seine
Zwillingsschwester ihrem Schicksal zu überlassen. Auch schien er dieser
Herzogin bereits früher begegnet zu sein, aber es war mehr als offensichtlich,
dass er nicht darüber sprechen wollte.
Sein Freund
hatte Recht. Nach Maßstab der Vernunft konnten sie nichts gegen die vom Bischof
von Sulmona geschlossene Ehe ausrichten. Emanuele fragte sich, ob wider aller
Vernunft zu hoffen bedeutete, dass er auf ein Wunder hoffte? Ein Wunder, dass
er sich von seinem Freund und Mentor Francesco erwartete? Mit einem Mal kam er
sich schäbig vor, seinen Freund derart zu bedrängen. „Verzeih mir, ich hätte
dich nicht darum bitten sollen.“
„Wie soll
ich das jetzt verstehen?“, gab Francesco einigermaßen verblüfft zurück.
„Dass ich mich
für meinen Egoismus schäme. Was gehen dich die Probleme meiner Schwester an? Und
wie du vorhin treffend bemerkt hast: Uns sind in dieser Angelegenheit die Hände
gebunden. Ich muss mich wohl mit dem Lauf der Dinge abfinden. Väter verheiraten
ihre Töchter nun einmal nach ihren eigenen Vorstellungen und kaum nach jenen
der Töchter. Emilia ist eine starke Frau, sie wird ihr neues Leben meistern.
Das Klügste wird sein, mich mit meinem Vater wie auch mit meinem Bruder Piero,
zu beraten. Schließlich hat er diese Heirat vermittelt. Ich werde ihn bitten
gemeinsam mit mir nach Sulmona zu reisen. Der Herzog wird uns einen Besuch bei
unserer Schwester kaum verweigern können.“
„Der Herzog
vielleicht nicht, aber die Herzoginmutter Beatrice sicherlich“, erwiderte
Francesco hart.
Emanuele
fiel es nicht zum ersten Mal auf. Immer, wenn sein Freund den Namen der
Herzoginmutter nannte, loderte kurz die Flamme eines mörderischen Hasses in
dessen Augen auf.
Wider
besseren Wissens fragte er nun doch: „Sag mir, mein Freund, warum verabscheust
du diese Frau so sehr?“ Ihm fiel plötzlich ein, was die Herzogin zu Francesco
gesagt hatte: „Und warum hat sie dich mein altes Fischchen genannt?“
Emanuele
wurde nun Zeuge eines höchst interessanten Schauspiels. Er sah wie sein Freund
abwechselnd blass und rot und dann wieder blass wurde, den bereitstehenden
Weinkelch ergriff und ihn in einem Zuge leerte. Dann nahm er die Karaffe,
schenkte sich großzügig nach und das zweite Glas folgte dem ersten. Beunruhigt
verfolgte Emanuele das ungewohnte Gebaren seines Freundes. Eine Antwort auf
seine Frage erhielt er nicht, denn die Tür zur Bibliothek wurde jäh
aufgerissen. Zwei junge Frauen stürmten herein und warfen sich ungestüm in ihre
Arme. Vittoria in die ihres Bruders, Serafina in Emanueles. Zweitere löste sich
kurz darauf verlegen von ihm. „Verzeih, aber die Freude, dich unversehrt
anzutreffen, hat mich schier überwältigt.“ Emanuele lächelte sie freundlich an.
„Du musst dich nicht dafür entschuldigen, liebste Freundin.“
„Wie geht es
Emilia? Wo ist sie?“, erkundigte sich Serafina als nächstes.
Der jähe
Schatten, der Emanueles Gesicht verdunkelte, löschte ihre eigene Freude aus.
„Was ist geschehen?“, forderte sie mit blassen Lippen.
Francesco
übernahm die Antwort: „Wir sind zu spät gekommen. Wie vermutet hat der Herzog
keine Zeit verloren. Emilia und er waren bereits in der Kathedrale von Sulmona
getraut worden. Wir haben trotzdem einen Versuch unternommen, Emilia zu
befreien, doch wir wurden entdeckt und konnten im letzen Moment entkommen.“
„Ihr habt
Emilia bei dieser Frau gelassen?“, ertönte eine Stimme von der Tür. Francesco
ließen Elviras Worte zusammenzucken. Er begrüßte sie mit einem leichten Neigen
des Kopfes: „Donna Elvira. Ich bin entzückt, Euch noch in Rom zu wissen. Lasst
mich Euch versichern, dass wir keine Wahl hatten…“
Donna Elvira
trat auf ihn zu. Sie hob ihren Kopf und forschte eindringlich in seinem
Gesicht. Francesco ließ die Musterung scheinbar ungerührt über sich ergehen.
Lediglich ein zuckender Kiefermuskel
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