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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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Beachtung. Wortlos machten sie
sich sofort daran, ein stabiles Eisengitter vor ihrem Fenster zu installieren.
Ebenso stumm verfolgte Emilia ihr Tun. Sie ärgerte sich, wie leicht Beatrice
ihre Gedanken erraten hatte.
    Sie machte
sich auf den nächsten Schlagabtausch mit der Herzoginmutter gefasst. Zu ihrem
Erstaunen überließ man sie für den restlichen Tag sich selbst. Überhaupt
interessierte sich die folgenden Tage keine Menschenseele für sie. Außer ihren
beiden ältlichen Zofen, die am Morgen und am Abend erschienen, um sie an- und auszukleiden,
sowie dem Diener, der ihr drei Mal am Tag ein Tablett mit ihrer Mahlzeit
brachte, bekam Emilia niemanden zu Gesicht. Jedes Mal, wenn sie versuchte ihre
Gemächer zu verlassen, scheiterte sie an den zwei entschlossenen Wachen vor
ihrer Tür. Auch Filomena ließ sich nicht mehr blicken. So avancierte Emilias
Fenster zu ihrem Tor zur Welt. Jeden Tag verbrachte sie dort Stunden und
betrachtete das bunte Treiben, das ein großer Schlossbetrieb mit sich brachte.
Doch die einhellig ausgegebene Parole der Herzoginmutter lautete scheinbar,
dass niemand mit ihr in Kontakt treten durfte. Emilia begriff nur zu gut,
worauf diese Maßnahme abzielte. Es war die Erfolg versprechendste Methode, um
eine freiheitsliebende Person wie Emilia zu zermürben und in ihre Schranken zu
weisen.
    Am siebten
Tag ihrer Isolation setzte ein heftiger Sturm mit starken Regenfällen ein.
Trotzdem setzte sich Emilia schon am frühen Morgen in ihrem dünnen Nachthemd
dem Regen aus, in der festen Absicht, sich eine Lungenentzündung zuzulegen.
Nicht lange und ihre beiden ältlichen Zofen erschienen, vermutlich durch
anonyme Beobachter alarmiert. Zeternd zerrten sie die zähneklappernde Emilia
vom Fenster weg. Ihr dünnes Nachthemd klebte an ihrem Körper und ließ der
Phantasie nur wenig Spielraum. Emilia wurde in eine sehr heiße Wanne gesteckt,
der sie zehn Minuten später und gekocht wie ein Hummer wieder entsteigen
durfte. Anschließend packte man sie zusammen mit Ermahnungen ins Bett. Kurz
nach Mittag erschien Beatrice. Sie trug ein elegantes rotes Reitkostüm aus Samt
mit passender Kappe auf ihrem üppigen blonden Schopf. Ihre in schwarzes Leder
gehüllten Hände spielten aufreizend mit einer Reitpeitsche.
    Doch Emilia
hatte inzwischen das Stadium erreicht, in dem sie sich selbst über den Besuch
von Luzifer persönlich gefreut hätte. „Ihr benehmt Euch schamloser als jede
Dirne“, eröffnete Beatrice verärgert. „Muss ich Euch daran erinnern, dass Ihr
die Herzogin von Pescara seid? Ihr solltet Euch entsprechend benehmen und nicht
halbnackt am Fenster posieren.“
    „Und wie
soll ich mich Eurer Meinung nach benehmen, wenn Ihr mich hier wie eine
gewöhnliche Gefangene einsperrt? Ihr habt mein Fenster vergittern lassen und
verweigert mir Feder und Tinte. Befürchtet Ihr, dass ich meinem Vater berichten
könnte, wie ich hier behandelt werde?“, erwiderte Emilia hitzig. „Ich brauche
frische Luft und die Weite der Natur. Seit Tagen bin ich nicht mehr auf einem
Pferd gesessen und…“
    Die
Herzoginmutter hob die Hand und unterbrach ihren Redefluss. Sie wirkte beinahe
amüsiert, als sie erwiderte: „Deshalb bin ich hier. Der Regen hat aufgehört.
Wir reiten aus.“
    Das ließ
sich Emilia nicht zweimal sagen. Mit Hilfe ihrer beiden Zofen schlüpfte sie in
ein Reitkostüm. Kaum eine Viertelstunde später saß sie auf dem Rücken einer
kleinen lebhaften Stute, die sich sichtlich kaum weniger als sie auf den
Ausritt freute. Genießerisch, als handelte es sich um ein delikates Parfüm,
nahm Emilia den Geruch nach warmem Pferd in sich auf. Es nieselte noch leicht,
doch der Sturm hatte sich gelegt. Nach den Tagen des Eingesperrtseins war
Emilia der frische Geruch der Erde niemals köstlicher erschienen. Beatrice lenkte
ihren herrlichen Schimmel, dessen Fell glänzte wie frischer Schnee, neben sie.
Sie tippte mit dem anderen Ende der Peitsche kurz auf Emilias Schulter.
„Kommt“, sagte sie. Nebeneinander setzten sie sich in Bewegung. Begleitet
wurden die beiden fürstlichen Damen von einer fürstlichen Anzahl bewaffneter
Soldaten. Doch Emilia hatte sich ohnehin nicht der Illusion hingegeben, dass
sie Beatrice so einfach würde davonreiten können.
    Die beiden
Frauen verließen Sulmona durch das letzte erhaltene Tor aus der Römerzeit, die
Porta Filiorum Amabilis. Emilia bewunderte die Jagdszene auf dem Flachrelief,
während die Bewohner von Sulmona das harmonische Bild bewunderten, das die
beiden

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