Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
Vom Netzwerk:
sähe sie ihn zum
ersten Mal, betrachtete Emilia den goldenen Ring an ihrem Finger.
    „Vergiss
nicht, eine Hexe als Schwiegermutter!“, ergänzte Filomena liebenswürdig.
    Emilia
verzog den Mund und spann den Faden weiter: „Auch nicht zu vergessen, eine
Schwägerin, die Nonne spielt! Verrätst du mir, warum du dieses Gewand trägst,
obwohl du keinem Orden angehörst?“
    „Weil…“,
erklärte Filomena mit der Miene eines Kampfhahns, „es nichts gibt, was meine
Mutter mehr hasst, als die katholische Staatskirche und deren Vertreter. Dieses
Kleid“, Filomenas schmale Hand strich liebevoll über den grob gewebten
Leinenstoff, „Ist das Symbol meines Widerstands.“
    „Du ziehst
dich nur deshalb wie eine Nonne an, um deine Mutter zu ärgern? Ehrlich, ist das
nicht ein klein wenig kindisch gedacht?“
    „Aber warum
denn?“, wehrte sich Filomena mit heller Stimme. „Wenn es ihr doch Verdruss
bereitet? Glaube mir, ich bin wie ein spitzer Stein in ihrem Schuh“, sagte sie,
mit sich selbst absolut im Reinen.
    Emilia
betrachtete die Alias-Nonne einen Augenblick lang forschend. Unversehens stahl
sich ein höchst beunruhigender Gedanke in ihr Gehirn. Bevor er wachsen konnte,
sprach sie ihn aus: „Sag, könnte es sein, dass du nur deshalb versuchst meine
Freundin zu sein, weil du weißt, wie sehr du deine Mutter damit aufbringen
kannst?“
    Filomena,
die sich eben anschickte eines der verlockenden, kleinen Törtchen aufzunehmen,
fuhr erschrocken auf. Das Törtchen plumpste zurück auf die Platte und ihre
haselnussbraunen Augen richteten sich riesengroß auf Emilia: „Nein, also… also
wirklich…“ Vor Empörung versagte ihr kurz die Stimme. Sie fand sie wieder: „Wie
kannst du mir nur so etwas unterstellen! Ich glaube nicht, dass ich dieses
Misstrauen verdient habe! Adieu…“ Sie erhob sich und strich mit zitternden
Fingern ihr Kleid glatt.
    „Wohin
willst du?“, erkundigte sich Emilia interessiert. Sie war sitzen geblieben und
hatte ihr Kinn auf ihre Hand gestützt. Angesichts Filomenas beleidigter Miene
fiel es ihr schwer, ihre aufkommende Lachlust zu unterdrücken.
    „Ich
verlasse dich“, vermeldete Filomena würdevoll.
    „Ach ja? Warum?“
Aufreizend sah Emilia sie von unten her an.
    „Ha! Du
findest das wohl sehr komisch?“, blaffte Filomena und stemmte die Hände in ihre
Hüften. In ihrem langen schwarzen Gewand ähnelte sie einer aufgebrachten Amsel.
    „Wenn ich
ehrlich bin, ja. Wer ist jetzt hier empfindlich, hmm?“
    Kurz sah es
aus, als würde Filomena weiterhin ihre Wut pflegen wollen, dann siegte ihr
Humor. Sie brach in ein befreiendes Lachen aus, das goldene Punkte in ihren
Augen tanzen ließ. „Touche!“, rief sie. „Freundinnen?“
    „Freundinnen“,
erwiderte Emilia. „Nun setz dich wieder. Wir haben Wichtiges zu besprechen. Zum
Beispiel unsere Flucht. Das hier ist dein Haus, deine Heimat. Du kennst dich
hier aus. Hast du schon irgendwelche Ideen?“
    Sofort
verdüsterte sich Filomenas Miene. „Ehrlich gesagt, bisher konnte ich mir kaum
Gedanken darüber machen. Die Hexe hält mich mehr denn je an der kurzen Leine.“
    „Aber sie
hat mir versprochen, dass ich ab sofort ausreiten darf. Vielleicht ergibt sich
dadurch eine Möglichkeit zu fliehen?“, rief Emilia vom eigenen Eifer gepackt.
Sie sah sich bereits tief über einen Pferderücken geduckt über die Ebene von
Sulmona jagen. Paridi schien ihre unruhige Bewegung aufgestört zu haben. Mit
einem Satz sprang er von Emilia herunter und schoss unter das Bett.
    „Ach ja? Auf
einem alten Klepper, mit sechs Mann auf frischen Pferden im Schlepptau?“,
erwiderte Filomena. „Denn so und nicht anders wird es aussehen, wenn sie dich
tatsächlich ausreiten lässt. Ich raube dir nur ungern deine Illusionen, aber
aus eigener Kraft wird eine Flucht niemals zu bewerkstelligen sein. Wir
benötigen unbedingt Hilfe von außen; innerhalb dieser Mauern gibt es nicht eine
mutige Seele, die uns dabei unterstützen würde. Der Tod wäre noch das
Gnädigste, was jenen erwarten würde, sollte meine Mutter dahinterkommen. Wir
dürfen daher niemandem vertrauen. Dies ist eine wichtige Lektion für dich.
Traue in diesem Hause niemanden, hörst du? Auch nicht Rosa, obwohl sie
sichtlich eine Neigung für dich entwickelt hat. Ihre Furcht vor der Hexe ist um
ein Vielfaches größer. Wir sollten…“ Sie brach mitten im Satz ab und sprang
auf. Emilia fuhr auf dem Sessel herum und folgte ihrem Blick: Beatrice stand
mitten im Raum!
    Sie hatten
sie nicht

Weitere Kostenlose Bücher