Das Hexenkreuz
Funke. „Ich bewundere Euren Mut, meine Liebe. Leider wisst Ihr
noch nicht, was wirkliche Angst bedeutet…“
„Eure
Drohungen ermüden mich“, unterbrach ihn Emilia brüsk. „Sagt mir lieber, was Ihr
von mir wollt. Wozu diese ganze Inszenierung?“
„Ah, wir
beginnen uns also für die Sache zu interessieren? Ich bedaure, meine Schöne. Leider
müssen wir unseren Plausch auf später vertagen. Du“, er blaffte Santorini an,
„bring sie weg und gib gut auf sie acht.“
Er trat ins
Haus zurück, sofort umgeben von einer Traube besorgter Dienstboten.
Ein zweiter
Mann gesellte sich zu dem Hauptmann. Emilia hatte nicht vor, ihnen die Sache
leicht zu machen. Doch gegen beide Männer hatte sie keine Chance. Sie zerrten sie
über die Treppe in die Eingangshalle des Palazzo. In der Mitte plätscherte ein
weiterer Springbrunnen. Der schöne Jüngling trat dahinter hervor, näherte sich
Santorini und flüsterte ihm einige Worte ins Ohr. Santorini nickte und grinste
verschlagen. Anstatt sich der Treppe zuzuwenden, die in die oberen Gemächer
führte, durchquerten sie den Raum. Die Halle mündete in einen weitläufigen, in
sich geschlossenen Patio. Ein mit Säulen gestützter, von Wein umrankter
Wandelgang verlief an seinem gegenüberliegenden Ende. Dort entdeckte Emilia zur
Linken eine niedrige Pforte. Santorini stieß sie auf und sofort schlug ihnen
modrige Luft entgegen. Eine steile Treppe wand sich in die Eingeweide der Erde
hinab. Je tiefer sie gelangten, umso kühler und feuchter wurde die Luft. Der
allgegenwärtige Geruch nach Schwefel nahm ebenfalls zu. Emilia schauderte. Sie
kam sich vor, als würden sie direkt in die Hölle hinabsteigen. Endlich betraten
sie ebenen Boden. Vor Emilia tat sich ein weitverzweigtes Labyrinth von Gängen
auf. Anfänglich versuchte die junge Frau noch sich den Weg einzuprägen, doch
bald gab sie es auf. Eine weitere Tür, in der ein kleines vergittertes Fenster
eingebaut war, öffnete sich vor ihr. Santorini schubste sie ohne ein Wort über
die Schwelle. Unter dem Türrahmen zögerte er, als erwartete er das Flehen
seiner Gefangenen, sie hier nicht alleine zurückzulassen.
Emilia hätte
sich lieber die Zunge durchgebissen. Mit einem verächtlichen Schulterzucken verschloss
er die Tür. Die Schritte seiner schweren Stiefel und die seines Komplizen
verloren sich in der Dunkelheit.
Emilia blieb
allein in der Stille zurück. Das einzige Licht spendete ein schmaler Streifen,
der durch das vergitterte Loch hereinfiel. Sie machte sich zunächst daran, ihre
neue Behausung zu inspizieren. Ihr Verließ erwies sich als vollkommen leer,
nicht einmal eine Pritsche, auf die sie sich hätte setzen können - nur kalter
felsiger Boden und nackte Wände. Emilia kauerte sich daher an die Wand und
schlang beide Hände um die angezogenen Knie. Sie tastete nach der Kette mit dem
Hexenkreuz, das sie verborgen um ihren Knöchel trug. Sein Vorhandensein tröstete
sie. Das Kreuz würde sie nun auch vor Bramante schützen müssen. Zu gut
erinnerte sie sich der Worte Filomenas, dass er ein geschickter Magier sein
sollte.
Emilia fröstelte
in ihrem dünnen Kleid. Vor allem aber ärgerte sie sich über ihre eigene
Dummheit. Nicht eine Sekunde lang hatte sie gezögert, Bramantes Schergen zu
folgen. Warum hatte sie nicht daran gedacht, einen Beweis zu verlangen?
Emanuele hätte ihren Befreiern sicherlich einige Zeilen aus seiner Hand
mitgegeben! Geblendet durch ihre Vorfreude war sie ihnen in die Falle gegangen.
Francesco…
Wie eine süße Qual tauchte vor ihrem inneren Auge sein stolzes Gesicht auf. Sie
hatte die Erinnerung an ihn in die tiefste Stelle ihrer Seele verbannt. Gewiss,
er war Jesuit, ein Priester und unerreichbar für sie… Doch da war auch jener
köstliche Augenblick in der Herberge gewesen, als ihre Blicke das erste Mal
aufeinandergetroffen waren. Allein diese zwei kostbaren Sekunden nährten die
Flamme der Hoffnung in ihr. Auch jetzt klammerte sie sich daran und schöpfte
neuen Mut daraus. Warum hatte Bramante sie entführt? Wollte er sich für die
Schmach rächen, die Beatrice ihm zugefügt hatte?
Wie um sich
in Erinnerung zu bringen, trat das Kind in ihr kräftig um sich. „Du hast ja
Recht“, murmelte Emilia und streichelte über ihren Bauch. „Mir gefällt es hier
auch nicht, aber es wird sicherlich nicht allzu lange dauern.“ Irgendetwas
würde geschehen. Graf Bramante hatte sicher nicht all den Aufwand betrieben,
nur um sie dann in einem feuchten Verließ zu vergessen. Sie
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