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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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lieber Graf. Begraben wir also
unseren törichten Zwist und schließen Frieden. Ich hoffe, Ihr vergebt auch mir Euer
verwüstetes Gesicht. Allein der Schock über Eure List mag als Entschuldigung
dafür dienen“, flötete sie und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln.
    „Ihr könnt
niemals ermessen, wie sehr mich Eure Worte bewegen, liebste Emilia. Eure
Freundschaft bedeutet mir alles“, erwiderte der Graf. Er küsste erneut ihre
Hand, die sie ihm bisher nicht entzogen hatte.
    „Nun, da wir
Freunde sind, verratet Ihr mir auch den Grund, warum Ihr mich hierher gebracht
habt?“, ging Emilia sofort in medias res.
    „Selbstverständlich
habt Ihr ein Anrecht, alles zu erfahren. Korrigiert mich, aber ich meinte
verstanden zu haben, dass es Eurem sehnlichsten Wunsch entsprach, nicht länger
die Gegenwart Eurer herzoglichen Schwiegermutter erdulden zu müssen. Da Eure
Möglichkeiten, Beatrice zu entfliehen, eingeschränkt waren, habe ich mir
erlaubt, die Dinge für Euch in die Hand zu nehmen.“
    Dass sein
Handeln sie ebenfalls ihrem herzoglichen Gatten entzogen hatte, ließ Bramante
unerwähnt. Kurz erwog Emilia, ihn darauf hinzuweisen, doch etwas sagte ihr,
dass sie besser daran täte, diese Frage zurückzustellen. Huldvoll erwiderte
sie: „In diesem Fall empfangt meinen Dank. Da wir nun unsere Fronten geklärt
haben und ich, wie Ihr sagt, Euer Gast bin, dürfte ich dann die Bitte an Euch
richten für den morgigen Tag meine Abreise nach Rom in die Wege zu leiten?
Sicherlich ist Euch geläufig, dass sich mein Bruder als Angehöriger des
Jesuitenordens dort aufhält. Ich möchte ihm einen Besuch abstatten.“
    „Ihr wollt
mich so bald schon wieder verlassen, liebste Emilia?“, rief Bramante mit
gespielter Entrüstung. „Missfällt Euch meine Gastfreundschaft so sehr? Dabei
hatte ich darauf gehofft, mich noch länger an Eurer Gegenwart erfreuen zu
dürfen. Ich bitte Euch, schenkt mir wenigstens den morgigen Tag. Seit ich Euch
kenne, träume ich davon mit Euch durch meinen Park zu flanieren und Euch alle
seine Schönheiten zu offenbaren. Ihr werdet staunen, wenn Ihr den künstlichen
See mit seinen Wasserspielen und der Grotte erblickt. Sie steht jener
berühmten, vom Sonnenkönig in Versailles geschaffenen an Raffinesse in nichts nach.
Und erst meine berühmte Sammlung antiker Statuen! Ihr könnt nicht fortgehen,
ohne sie bewundert zu haben. Was sagt Ihr? Werdet Ihr mir wenigstens noch einen
Tag lang das Vergnügen Eurer Gesellschaft schenken? Bitte sagt nicht nein,
Teuerste, ich würde daran sterben!“
    Mit
größtmöglicher Behutsamkeit entwand ihm Emilia ihre Hand. Sie benötigte die
kurze Zeitspanne, um nachzudenken. Wem wollte Bramante mit dieser
Schmierenkomödie etwas vormachen? Keine einzige Sekunde gab sie sich der
Illusion hin, lediglich sein Gast zu sein. Was sollte das ganze Theater dann
bewirken? Entweder hielt er sie für dumm oder für grenzenlos naiv. Oder beides…
Jedenfalls schien der Graf aus irgendeinem Grund seine Karten noch nicht
aufdecken zu wollen. So schwer es ihr fiel, doch sie zwang sich ihren
aufsteigenden Ärger zu unterdrücken. „Also gut“, gab sie scheinbar nach. „Wenn
Euch soviel an meiner Gegenwart liegt, dann verweile ich gerne einen weiteren
Tag als Euer Gast. Doch nun bitte ich Euch mich zu verlassen, damit ich mich
für das Souper ankleiden kann. Ihr wollt doch sicher nicht, dass ich zu spät
dazu erscheine?“
    „Aber
selbstverständlich nicht! Macht Euch schön, meine Liebe. Ich kann es kaum
erwarten, Euch wiederzusehen.“
    Er überließ Emilia
ihren grüblerischen Gedanken. So sehr sie auch versuchte Graf Bramantes
Verhalten nachzuvollziehen, sie wurde einfach nicht schlau aus ihm. Bei
Beatrice wenigstens hatte sie von Beginn an gewusst, wie es um ihr Verhältnis
bestellt war. Emilia seufzte. Sie stellte für sich fest, dass sie mit offener
Feindschaft weitaus besser zurechtkam als mit der unbekannten Größe Bramante.
Seine Stimmungen wechselten die Richtung so häufig wie ein Wetterhahn auf dem
Dach. Die junge Zofe, deren Anwesenheit sie zeitweilig vollkommen vergessen
hatte, näherte sich ihr nun wieder. Die andere hatte sie zuvor schon verlassen.
Schüchtern bat sie Emilia aufzustehen und die Arme zu heben, damit sie ihr das
vorbereitete Kleid überstreifen konnte. Nicht ohne Vergnügen schlüpfte Emilia
in die türkisfarbene schillernde Seide, die ihren Körper wie kühles Wasser
umfloss und gänzlich ohne Schnürleib auskam. Der eckige Ausschnitt

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