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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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Gegenlicht
vermeinte Emilia schon Francesco erkennen zu können und flog ihm entgegen. Die
Freude ihn zu sehen, schoss in ihr hoch wie eine Flamme. Sie sah ihn beide Arme
zu einem Willkommensgruß ausbreiten. Nur noch wenige Stufen trennten sie von
ihm. Plötzlich hielt sie so abrupt inne, dass der Schwung sie straucheln ließ.
Das war nicht Francesco!
    „Da seid Ihr
endlich, meine Teuerste. Hatte ich Euch nicht prophezeit, dass wir uns
wiedersehen werden?“ Mit einem Lächeln schritt der Mann die marmorne Freitreppe
zu ihr hinab.
    Emilia hatte
längst erkannt, wer ihr da entgegenkam ... Bittere Galle füllte ihren Mund, als
sie die gemeine Täuschung erkannte. Ein einziger Gedanke beherrschte sie nun:
Flucht. Blitzschnell wandte sie sich um, nur um gegen die breite Brust Hauptmanns
Santorini zu prallen. Er grinste auf sie herab. Alles Joviale und Ehrerbietige
war von ihm abgefallen. Emilia wollte sich schroff an ihm vorbeiwinden, doch
seine Hände griffen nach ihr und zwangen sie in seinen Schraubstock. Emilia kämpfte
und gebärdete sich wie eine Furie und beschimpfte ihn mit der phantastischen Sammlung
aus dem Wortschatz ihrer Kindheit. Santorini hatte seine liebe Not, der jungen
Frau Herr zu werden, wenn er sie nicht verletzen wollte. Doch es gab kein
Entrinnen. Die niederschmetternde Erkenntnis, das eine Gefängnis gegen das
andere eingetauscht zu haben, ließ sie ihre Enttäuschung laut herausschreien.
    „Meiner
Treu! Hör sich das einer an. Ihr keift ja schlimmer als die Fischweiber zu
Neapel“, amüsierte sich Graf Bramante. Santorini hatte Emilia vor seine Füße
gezerrt.
    „Verdammter
Bastard. Das werdet Ihr bitter bereuen!“, schrie Emilia und spuckte dem Grafen
kräftig ins Gesicht.
    „Ts, ts, und
erst Eure Manieren…“ Bramante zog ein Taschentuch aus seinem Ärmel und fuhr
sich damit über das Gesicht.
    Das wilde Verlangen
diesen Mann zu töten packte Emilia. Wie sie es satt hatte, gegen ihren Willen
kreuz und quer durch Italien geschleppt zu werden! Die Wut verlieh ihr doppelte
Kräfte. Mit einer schnellen, schlangengleichen Bewegung entwand sie sich dem
Griff Santorinis und stürzte sich mit einem wilden Aufschrei auf Bramante. Von
ihrem unerwarteten Angriff überrumpelt, krachte Bramante rücklings auf die
marmorne Treppe. Bis Santorini die junge Frau von seinem Herrn heruntergezerrt
hatte, hatte sie Bramantes Gesicht bereits mit ihren Fingernägeln verwüstet.
Emilia registrierte es mit Genugtuung. Von dem Tumult angelockt, eilten mehrere
Dienstboten herbei. Sie erstarrten vor Entsetzen, als sie ihren blutenden Herrn
halb ausgestreckt auf der Treppe entdeckten. Die ihm helfend hingestreckten
Hände wehrte er mit einer brüsken Bewegung ab. Allein mit Hilfe seines Stolzes
richtete er sich wieder auf. Emilia weidete sich an seiner schmerzverzerrten
Miene.
    Viele
neugierige Augenpaare huschten zwischen dem Grafen und der jungen bildschönen
Frau her, die Santorini mit eisernem Griff nur mühsam bändigte. Das also war
die Dame, nach der ihr Herr seit Monaten gierte. Ohne Zweifel war sie die
Ursache für den jammervollen Zustand ihres Herrn. Sofort spaltete sich der
Haushalt in zwei Lager auf: In jene, die dem arroganten Grafen diese besondere
Behandlung vergönnten und Emilia insgeheim dafür bewunderten und in jene, die
Emilia dafür verdammten. Eine junge frische Magd eilte geschäftig mit einem
Tuch herbei. Sie schickte sich an, ihrem Herrn das Blut aus dem Gesicht tupfen.
    „Scher dich
weg“, fegte er sie grob beiseite. Mit lauernder Miene trat Bramante auf Emilia
zu. Seine lange hagere Gestalt schwankte kurz auf der Treppe, doch niemand
wagte mehr, ihm eine helfende Hand anzubieten. Der Graf brachte sein Gesicht
ganz nah an das ihre, so dass Emilia sein säuerlicher Atem entgegenschlug. „So,
man spielt also die Raubkatze?“, zischte er. „Glaubt mir, ich habe ausreichend
Erfahrung damit, wilde Tiere zu zähmen. Meist genügen wenige Lektionen mit der
Peitsche. Am Ende fressen sie mir alle aus der Hand.“
    „Ach ja? Ist
das alles was Ihr könnt? Frauen mit der Peitsche zu drohen? Nur zu, tut Euch
keinen Zwang an. Ihr seid nicht nur jämmerlich, sondern feige dazu…“ Ihre ganze
unerschrockene Haltung trotzte Graf Bramante. Jemand auf der Treppe stieß einen
empörten Ruf aus. Emilia erhaschte nur einen flüchtigen Eindruck von dem
hübschen und prächtig gekleideten Jüngling.
    Graf
Bramantes Mund verzog sich zu einem angedeuteten Lächeln; in seinen Augen glomm
ein gefährlicher

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