Das Hexenkreuz
einzubilden. Warum daher nicht als
unerfahrenes Mädchen vom Lande auftreten, das sich nach allen Regeln der Kunst
von einem weltmännischen und erfahrenen Mann wie dem Grafen umwerben lassen
wollte? Der Hauch eines Lächelns erschien auf ihrem Gesicht. „Wünscht die
Herrin jetzt ein Bad zu nehmen?“ Überrascht zuckte Emilias Kopf zur Seite. Ihre
kleine Zofe stand neben ihr und sah sie freundlich an. Emilia hatte ihr
Eintreten nicht bemerkt. Das Mädchen hatte eine unauffällige Art, plötzlich
neben ihr zu erscheinen, als handelte es sich bei ihr um einen Geist und nicht
um ein menschliches Wesen. Das Angebot des Bades lehnte sie nicht ab. Als sie
später in ein weiches Laken gewickelt in ihr Schlafzimmer zurückkehrte, blieb
sie wie angewurzelt auf der Schwelle stehen. Der große Raum hatte sich
zwischenzeitlich in eine Art Schatzhöhle Ali Babas verwandelt. Überall, auf dem
Bett, den Truhen und Stühlen, hatten flinke Hände schillernde Stoffbahnen
drapiert. Edle Stoffe wie Seide, Gold- und Silberbrokate, feinster Musselin,
Taft, Samt, Bänder, Borten und eine Rolle weiß schäumender Spitzen,
wetteiferten in ihrem Glanz mit dem strahlendem Sonnenlicht, das ihr Zimmer
flutete. Nicht einen Fleck mehr gab es, der nicht glänzte oder schimmerte. Auf
einem Intarsien-Tischchen war eine Vielzahl dickbauchiger Flakons aus Glas oder
bemaltem Onyx platziert, angefüllt mit edlen Essenzen und ätherischen Ölen aus
dem Orient, die an sich schon eine kleine Kostbarkeit darstellten. Ein
Aufblitzen zu ihrer Linken lenkte Emilias Aufmerksamkeit dorthin. Auf ihrem
Frisiertisch entdeckte sie weit geöffnete Schatullen aus Sandelholz, die ihren
glitzernden Inhalt auf rotem Samt präsentierten: Kostbares Geschmeide mit
Diamanten von reinstem Feuer, grün funkelnde Smaragde und blutrote Rubine,
sogar eine Kollektion rosafarbener Perlen quollen daraus hervor. Das, was auf
den ersten Blick wie das Lösegeld für einen König anmutete, stellte tatsächlich
den Preis für ihre Tugend dar. Emilia war sich dessen durchaus bewusst.
„Das alles
gehört Euch“, ließ sich eine Stimme vernehmen. Graf Bramante stand breitbeinig
im Türrahmen. Er trat näher und strich mit dem Zeigefinger beinahe liebkosend
über einen purpurfarbenen Seidenstoff, dessen Borte mit Goldfäden bestickt war.
„Dies ist Seide aus dem fernen China, nicht jener billige Tand, den sie in
Venedig fabrizieren.“ Er trat zu ihr, ergriff ihre Hand und murmelte darüber
gebeugt: „Ihr seht bezaubernd aus, meine Liebe, einfach bezaubernd. Eigentlich
benötigt ihr all dieses schmückende Beiwerk nicht, denn Ihr seht selbst mit
diesem einfachen Laken wie eine Königin aus. Doch so viel Schönheit gebührt nun
einmal der passende Rahmen. Daher habe ich mir erlaubt, Euch mit all diesen
wundervollen Dingen zu umgeben. Nun verlasse ich Euch, damit Ihr nach
Herzenslust in Eurem neuen Reichtum schwelgen könnt. Ich sehe doch, wie sehr
Euch alles hier überwältigt hat. Wir sehen uns später, ich kann es kaum
erwarten.“ Ein letzter gehauchter Kuss auf ihre Fingerspitzen und die Tür
schloss sich hinter ihm. Emilia war ihm für sein rasches Verschwinden überaus
dankbar. Sie war keineswegs überwältigt, sondern musste dringend nachdenken.
Die Dinge gerieten zu schnell ins Rollen und der Graf wirkte allzu
siegessicher. Hatte sie sich kurz nach dem Frühstück selbst noch beinahe
ausgelassen gefühlt, folgte nun die herbe Ernüchterung. Bramante schoss aus
allen Rohren, während sie selbst eine absolute Anfängerin darin war, einen Mann
an der Nase herumzuführen. Anstatt sich geschmeichelt zu geben, hatte sie nur
stumm da gestanden.
Allzu
schnell nahte der Mittag. Emilia hatte sich für ein grünseidenes Kleid
entschieden, dessen Rock mit rosafarbenen Blütenblättern bestickt war. Der
Vorzug des Kleides bestand vor allem darin, dass sein Ausschnitt nicht allzu
tief war. Emilia hatte nicht vor, daraus ständig Bramantes Augen hervorfischen
zu müssen.
Die
Besichtigung des weitläufigen Parks verlief in purer Harmonie. Emilia brach an
den richtigen Stellen in Begeisterung aus und lauschte voller Bewunderung
Bramantes nicht endenwollenden Ausführungen über die technischen Finessen der
Wasserspiele. Eine Überraschung gab es für sie allerdings, als der Graf sie in
einen entlegenen Bereich des Parks führte. Er unterhielt dort einen privaten
Zoo. Neben einer raumgroßen Voliere mit exotischen Papageien und einem Gehege
mit zwei riesigen, staksigen Giraffen, die friedlich
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