Das Hexenkreuz
jedoch öfters vor, bis sie sich kürzlich wegen einer Nichtigkeit sogar
in die Haare geraten waren. Emanuele hatte Francesco zur Rede gestellt und ihm
auf den Kopf zugesagt, was er für sein eigentliches Problem hielt. Francesco
hatte ihn daraufhin waidwund angesehen und gemurmelt: „Anche tu, Brutus?“ Dann
hatte er seinen Freund bei den Schultern genommen, ihm eindringlich in die
Augen gesehen und gesagt: „Du hast Recht, Emanuele. Der Dämon der fleischlichen
Begierde wütet in mir, seit ich deiner Schwester das erste Mal begegnet bin.
Doch zweifele nicht an mir, mein Bruder, denn ich werde ihm niemals nachgeben.
Meine Seele gehört Gott allein.“ Davon hatte Emanuele seiner Schwester
natürlich nichts erzählt. Doch er hatte Francesco geraten, die Angelegenheit
mit Emilia ein für alle mal zu klären, da er die Hartnäckigkeit seiner Schwester
kannte. Sein Freund musste ihr begreiflich machen, dass niemals Hoffnung
bestanden hatte und auch nie eine Hoffnung bestehen würde.
Solange der
Diener sich zu schaffen machte, schwiegen die beiden jungen Leute. Colonna
verharrte nahe bei der Türe, als wollte er damit demonstrieren, dass er nicht lange
bleiben könne. Er trug seine Soutane und seine Miene wirkte passend dazu zugeknöpft.
Der Diener
erkundigte sich beflissen nach den Wünschen des hohen Gastes - der keine hatte
- und ging.
Francesco
bewunderte zunächst gebührend die Fortschritte des Knaben Ludovico, der in
seiner Wiege strampelte. Dann eröffnete er förmlich das Gespräch: „Ihr wolltet mich
alleine sprechen, Duchessa. Nun, hier bin ich.“
„Ich danke
Euch, dass Ihr gekommen seid, Principe“, erwiderte Emilia ebenso förmlich.
„Serafina?“,
wandte sie sich dann an ihre Freundin, die am Kamin mit einer Näharbeit
beschäftigt war: „Würdest du bitte Ludovico nehmen und ihn für die
Schlafenszeit vorbereiten?“
Mit einem
vielsagenden Ich-weiß-was-du-vorhast-Blick, legte Serafina ihr Nähzeug
aufreizend langsam zur Seite. Dann stand sie auf, hob den lautstark
protestierenden Knaben aus seiner Wiege und verließ den Raum.
Francesco
bedauerte ihren Abgang. Serafinas Anwesenheit hatte ihm Sicherheit verliehen.
Allein mit Emilia in ihren privaten Gemächern, sprang den jungen Mann die
Intimität ihrer Gegenwart geradezu an. Der Duft ihres Parfüms - oder war es der
natürliche Duft ihrer Weiblichkeit? - vermischte sich mit dem unbestimmten des
Kindes. Warum bloß rochen Säuglinge so ganz besonders, dass man sie an sich
drücken und bis ans Ende der Zeit alle Gefahren von ihnen abwenden wollte?
Nein, rief er sich selbst zur Ordnung und widerstand dem verrückten Impuls,
sich vor Emilia auf den Boden zu werfen, um ihr und ihrem Sohn genau jenen
Schutz anzubieten. Aber woher kam dieses jähe Gefühl von Sehnsucht, das in sein
Herz sickerte und ihn schwächte, weil es ihm seine Einsamkeit vor Augen führte?
Die eigenen Gedanken erschreckten ihn. Wie kam er nur darauf, dass er einsam
wäre? Hatte er nicht seine Familie, seine Freunde, seine Berufung? Und wusste
er nicht Gott an seiner Seite? War er nicht deshalb hier, um den Triumpf seines
Glaubens über seine Begierde zu bekunden? Zu spät wurde ihm klar, dass er Gott,
der stets der Erste in seinen Herzen gewesen war, soeben zuletzt genannt hatte.
Dies erschütterte ihn so sehr, dass er sich in die ihm einzig mögliche Form der
Gegenmaßnahme flüchtete, wenn Gefühle ihn zu übermannen drohten: dem Zorn. Natürlich
lag alles nur an diesem Weib! Sie allein war schuld an seinem Dilemma. Ihre
Gegenwart und ihre wunderbaren Augen, in deren Tiefen sich das Wissen seiner
Qualen spiegelte, beeinträchtigten sein Denkvermögen. Er hätte niemals alleine
hierher kommen dürfen! Er versuchte die Präsenz des großen Bettes im Raum zu
verdrängen, dort wo sie ihren schönen Körper… Wie Tentakel schwärmten seine
Gedanken aus und zogen aus den Untiefen seines Bewusstseins seine geheimsten
Erinnerungen hervor. Das Bild Emilias, die wie Venus dem Badebottich entstieg,
hatte sich unauslöschlich in sein Hirn eingebrannt. Während des Tages,
eingebunden in seine Pflichten und Gebete, gelang es ihm, dieses Bild zu
verdrängen. Doch in seinen schlaflosen Nächten verging er in dessen süßem
Feuer. Jeden verdammten Morgen seither musste er zur Beichte gehen. Mindestens
einmal in der Woche suchte er einen Arzt auf und ersuchte um einen Aderlass. Er
war ja schon völlig blutleer! Nun, das stimmte nicht ganz, denn alles Blut
hatte sich dank Emilias
Weitere Kostenlose Bücher