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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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frustrierende Gefühl, sich beständig im Kreis zu drehen. Hatten
sie am Anfang noch munter miteinander geplaudert, so marschierten sie jetzt
schweigend dahin. Am späten Nachmittag des dritten Tages entdeckten sie einen
Pfad, der auf ein langgestrecktes Plateau führte. Zu ihrer Linken fiel eine
steile Schlucht herab. Der Weg führte über eine abschüssige Wiese und war von
einer Vielzahl kleiner Bäche durchzogen, die als Miniaturwasserfälle in die
Schlucht stürzten. Endlich wieder freies Gelände vor Augen fiel Emilia in einen
leichten Galopp. Glücklich über die Abwechslung, warf der Hengst wiehernd den
Kopf zurück und preschte los. Emilia ließ ihm seinen Willen, bis sie im
gestreckten Galopp über die letzte Wiese sprengten. Ein dichter Kiefernwald begrenzte
sie. Serafina folgte Emilia in gemächlicherem Tempo nach. Der Wald stieg nach
Norden hin an und dehnte sich von dort in die Unendlichkeit aus. Südwärts wurde
ihnen die Sicht durch eine jäh aus dem Boden gestiegene, hoch aufragende
Felsenformation versperrt. Sie konnten nur geradeaus weiter und tauchten in den
Wald ein. Bald vernahmen sie ein Plätschern und stießen auf einen weiteren der
unzähligen Gletscherbäche. Emilia schlug vor, dessen Lauf zu folgen. Er war
breit genug, dass ein Pferd bequem darin laufen konnte, das Wasser klar und
flach. Vorsichtig staksten ihre Pferde auf den Kieselsteinen dahin. Die hoch
gewachsenen Bäume ließen die Sonne nur an wenigen Stellen hindurch und schufen
so kleine goldene Inseln inmitten eines Meeres von dämmrigem Halbdunkel.
    Bald stießen
sie auf einen weiteren Bach, der sich mit dem ihren vereinte und die Ufer wie
eine Schere auseinanderdrückte. Mindestens fünf Meter trennte jetzt das eine
Ufer vom anderen und das Wasser floss schneller dahin. Emilia trieb ihren
Hengst an und ritt ein Stück voraus. Sie meinte in der Ferne ein schwaches
Donnern zu vernehmen, war sich jedoch wegen dem Plätschern des Bachs nicht
sicher. Sie beugte sich vor, um besser lauschen zu können. Genau diesen Moment
suchte sich ihr Hengst aus, um zu straucheln. Er machte einen Satz, schlug wild
um sich und Emilia purzelte in hohem Bogen ins Wasser. Das Pferd kämpfte sich
rasch aus dem Schlammloch heraus und blieb dann mit hängenden Zügeln neben
Emilia stehen. Seine Reiterin saß in dem eiskalten Wasser. Sie rappelte sich
auf und gab Serafina durch ein Zeichen zu verstehen, dass ihr nichts fehlte. Ihr
klapperten zwar die Zähne, doch so lange sie sich im Bach befanden, konnte sie
sich nicht umziehen. Sie schwang sich wieder aufs Pferd. Der Hengst sträubte
sich naturgemäß weiterzugehen und Emilia war gezwungen ihm zu zeigen, wer die
Herrin war. Schweigend, die Augen aufmerksam auf den Boden gerichtet, setzten
die Freundinnen ihren Weg fort. Dann blieb Emilia erneut stehen und richtete
sich in den Steigbügeln auf. Alle ihre Sinne hatte sie auf die Stelle
konzentriert, wo der Bach hinter einer Biegung verschwand.
    „Horch!
Hörst du nichts?“, rief sie Serafina über ihre Schulter hinweg zu.
    „Doch. Was
ist das? Es hört sich an wie… Ich weiß nicht. Noch mehr Wasser?
    Sie nahmen
die Biegung und fanden sich jäh an einem magischen Ort wieder. Aus einer Quelle
am Rande ergoss sich mit einer Fontäne ein Wasserstrahl in den Bach. Die Bäume
standen hier weniger dicht und die Sonnenstrahlen, die sich mit den
aufschäumenden Wassertropfen mischten, erzeugten ein irisierendes Licht in allen
Regenbogenfarben. Verzückt betrachteten sie das Schauspiel. Emilia dachte, dass
einer Quelle, die aus dem Leib der Erde geboren wurde, ein ganz besonderer Zauber
innewohnte. Kein Wunder, dass vielen Kulturen ein solcher Ort als heilig galt.
    Serafina
fand zuerst in die Gegenwart zurück. „Wie ich sagte, noch mehr Wasser. Das ist
kein Bach mehr, sondern ein ausgewachsener Fluss. Durch das ungewöhnlich warme
Wetter schmilzt das Eis in den Bergen schneller als üblich. Sollten wir nicht
besser raus aus dem Wasser? Ich glaube, da vorne wird es tiefer.“
    „Nein, es ist
nicht viel tiefer als bisher. Reiten wir noch ein Stück weiter. Irgendwann muss
dieser vermaledeite Wald einmal enden. Hörst du noch das grollende Geräusch von
vorhin, Serafina?“
    „Nein, aber das
Tosen der Quelle übertönt alles andere.“
    Nicht lange
und das donnernde Geräusch scholl ihnen erneut entgegen. Emilia zügelte ihr
Pferd. „Verdammt, ich bin aber auch ein dummes Schaf.“
    Serafina war
mit gesenktem Kopf hinter ihr geritten, darauf konzentriert, den

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