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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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den Augen. Der zweite Angreifer reagierte schneller. Er holte
aus und ein mächtiger Faustschlag beförderte Serafina ins Reich der Träume.
Beinahe grazil sank ihre Freundin ins Gras. Dann wandte er sich Emilia zu. Er
maß ihre Größe und Gefährlichkeit und auf seinem Gesicht breitete sich wilde
Freude aus.
    Emilia
überkam das dumpfe Gefühl, gewogen und für zu leicht befunden worden zu sein.
Wesentlicher größer als sein Kumpan, verfügte der Strauchdieb über Muskel
bepackte Arme und Beine und sein geöffnetes Hemd ließ eine dicht behaarte
Bauernbrust sehen. Mit seiner rechten Pranke zog der Angreifer nun aufreizend
langsam sein Messer aus dem Gürtel. Mit einem Schaudern registrierte Emilia die
Länge der Klinge von mindestens einer Elle. Zusammen mit seinen langen Armen
ergab dies eine beachtliche Reichweite. Der Mann scharrte jetzt mit den nackten
Füssen, beugte leicht federnd die Knie und ging in Kampfstellung. Jede seiner
Bewegungen verriet den geübten Kämpfer. „Na los, komm schon, du halbe Portion!
Hast du Angst vor Pozzo? Zitterst du vor Pozzo? Zuerst blas´ ich dir das Licht
aus und dann werde ich dem knusprigen Hühnchen, das sich der Teufel weiß warum,
als Hahn verkleidet hat, die hübschen Federn stutzen. Los, komm her, du mickriges
Bürschchen. Zeit zu sterben.“ Sein sardonisches Lächeln entblößte braun
verfärbte Zähne. Plötzlich unternahm er einen Scheinangriff. Zufrieden
registrierte er, wie sein Gegner zurückwich. „Ho, ho, reichlich nervös, der
kleine Kämpfer. Das wird ein Spaß, dir das Fell über die Ohren zu ziehen. Los,
komm zu Pozzo…“
    Sein Gerede
machte Emilia noch wütender: „Wollt Ihr quatschen oder kämpfen?“, höhnte sie.
    „Ein ganz
Mutiger, he? Und vornehm dazu. Man siezt mich. Ho, ho, das gefällt mir.“
Blitzschnell sprang er auf sie zu. Doch Emilia hatte damit gerechnet und wich
ihm mit einem eleganten Satz zur Seite aus. Sein Messer traf ins Leere. Sofort
parierte sie seinen Angriff. Trotz seiner Masse bewegte sich der Mann kaum weniger
gewandt als sie. Dann folgte Angriff auf Angriff. Der Mann trieb sie mit seinen
langen Armen vor sich her und hielt ihren Degen auf Abstand. Keinem der beiden
gelang der entscheidende Schlag. Der Kampf währte bereits länger, als es sich
der Mann ausgerechnet hatte. Die pure Mordlust brannte nun in seinen Augen und
beide Kämpfer keuchten vor Anstrengung. Falls keiner der Kontrahenten
straucheln sollte, durchzuckte es Emilia, würde die persönliche Ausdauer
entscheidend sein. Würde sie es schaffen, ihrem Gegner so lange Paroli zu
bieten? Schon schmerzte ihr linker Arm. Sie musste unbedingt einige Sekunden
gewinnen, um nach rechts zu wechseln. Als Linkshänderin geboren, hatte man sie
gezwungen alle Tätigkeiten mit der rechten Hand zu bewältigen. Heimlich hatte
sie mit der Linken geübt, die sie nach wie vor für den Degen bevorzugte. Sie
sprang einige Schritte zur Seite und ihr Degen wechselte blitzschnell die Hand.
Dann geschah alles sehr schnell. Eben hatte sie noch gedacht, dass sie verloren
wäre, sollte sie straucheln, als ihr genau das passierte: Die Ausläufer einer
mächtigen Eiche wurden Emilia zum Verhängnis. Sie stolperte und fiel nach
hinten. Um den Sturz abzufangen, ruderte sie instinktiv mit ihren Armen. Dabei
entglitt ihr der Degen. Wie in Zeitlupe verfolgte sie seinen Flug in den blauen
Himmel, wo er eine elegante Arabeske beschrieb, sich um die eigene Achse drehte
und senkrecht zu Boden stürzte. Außerhalb ihrer Reichweite blieb er wippend im
feuchten Waldboden stecken. Der Mann stieß ein scheußliches Triumphgeheul aus
und stürzte sich mit erhobenem Messer auf sie.
    „Jetzt
sterbe ich“, dachte Emilia und schloss die Augen. Als nächstes ertönte ein
dumpfer Schlag, gleichzeitig streifte etwas Heißes ihren Arm. Dann schlug etwas
Schweres neben ihr auf die Erde.
    Emilia wagte
es, vorsichtig die Augen zu öffnen, und blinzelte direkt in die Sonne. Eine
Silhouette in einem Strahlenkranz, einen langen Gegenstand in den erhobenen
Händen, stand über ihr. Für einen Moment vermeinte Emilia den Erzengel Michael
mit seinem Schwert zu erblicken. Doch bevor sie sich gänzlich im Paradies
wähnte, hörte sie den Engel stöhnen: „Oh, mein armer Kopf. Er dröhnt wie zehn
Kirchenglocken.“ Schwankend hielt Serafina den schweren Ast umklammert, mit dem
sie dem Halunken den Garaus gemacht hatte. Verwirrt starrte sie darauf, als
fragte sie sich, wie dieser in ihre Hände geraten war.
    Emilia

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