Das Hexenkreuz
entdeckte
den neben ihr liegenden Mann. Sein Gesicht mit den weit geöffneten Augen war
ihr zugewandt. Sie stieß einen markerschütternden Schrei aus und rollte sich
hastig von ihm weg. Sie benötigte einige Sekunden, bis sie begriff, dass der
Mann mausetot war.
„Puh, das
war knapp“, stöhnte Serafina. „Ist mit dir alles in Ordnung?“, erkundigte sie
sich.
„Ja, danke.
Wenn du nicht gewesen wärst…“ Emilia unterließ es, den Satz zu vollenden. Sie
hockte immer noch wie benommen im Gras und staunte über das Wunder noch zu
leben. Serafina sank neben ihr zu Boden und rieb sich den Kiefer, wo der Schlag
sie getroffen hatte. „Was für ein Schlamassel“, seufzte sie. „Dabei sind wir
noch keinen Tag von zuhause fort… Oh, du blutest!“ Sie hatte den Fleck auf
Emilias Ärmel entdeckt. „Der Halunke muss dich im Fallen mit seinem Messer
gestreift haben.“
„Lass gut
sein. Es ist nichts als ein kleiner Kratzer“, versuchte Emilia ihre Freundin
abzuwehren, die sich bereits anschickte, ihr die Jacke auszuziehen. „Mir
bereitet weniger die Wunde Kopfschmerzen, meine Liebe, sondern vielmehr das
schmutzige Messer. Wer weiß, was der Gauner vorher damit aufgeschlitzt hat. Ich
muss die Wunde säubern, aber dazu benötige ich meine Kräutertasche. Und die
wiederum steckt in der Satteltasche. Das heißt, wir müssen zurück zu unserem
Rastplatz.“ Sie erhob sich schwerfällig und half Emilia auf. Deren Beine
zitterten noch von der Anstrengung des soeben überstandenen Kampfes.
Serafina
trat zu dem Toten. Ohne weitere Umstände machte sie sich daran, seine Taschen
zu durchwühlen. „Na, wer sagt es denn…“, murmelte sie zufrieden. Neben ihrer
eigenen Börse, die die Ersparnisse ihrer Mutter enthielt und die der Mann ihr
zuvor entwendet hatte, beförderte sie eine weitere Geldkatze zu Tage. Mehrere Dukaten
glänzten in ihrer Handfläche. „Vielleicht sollten wir uns ebenfalls als
Straßenräuber verdingen. Was meinst du, Emilia? Scheint mir ein einträgliches
Geschäft zu sein. Nimm du dir den anderen vor und sieh nach, was er bei sich
hat“, forderte sie ihre Freundin auf.
„Aber… er
ist doch tot“, protestierte Emilia entgeistert. Ihr graute es entschieden davor,
einem Toten in die Taschen zu greifen.
„Ja, was
denn? Du bist doch sonst nicht zimperlich“, erwiderte Serafina. „Außerdem
erleichtert dieser Zustand die Angelegenheit ungemein, oder etwa nicht?“
Zögerlich
bewegte sich Emilia auf den zweiten Toten zu, als fürchtete sie, dass er bei
der leisesten Berührung erwachen könnte. Sie fasste sich ein Herz und tastete dessen
Hemd und Hose ab. Doch bei diesem da war keine Beute zu machen. Lediglich
einige lumpige Zechinen kamen zum Vorschein. Ein Blitzen ganz in ihrer Nähe
erregte Emilias Aufmerksamkeit. Neugierig ging sie darauf zu und entdeckte im
Gras doch noch einen Schatz: Eine doppelläufige Steinschlosspistole samt
Munitionsbeutel. Die Männer mussten die über dreißig Zentimeter lange und
schwere Waffe als hinderlich abgelegt haben, bevor sie sich über Serafina
hergemacht hatten.
„Sieh mal,
was ich gefunden habe“, präsentierte Emilia ihrer Freundin stolz ihren Fund.
„Prima“,
sagte Serafina. „Kannst du damit umgehen?“
„Äh, nein,
aber ich habe oft gesehen, wie sie gehandhabt wird. Ich kann es lernen“, sagte
Emilia entschlossen und betrachtete die Waffe beinahe liebevoll.
Serafina
beäugte den Fund mit einer gehörigen Portion Skepsis. „Na ja“, meinte sie dann.
„Besonders vertrauenswürdig sieht sie mir ja nicht aus. Womöglich fliegt uns
das Ding gleich beim ersten Schuss um die Ohren. Aber wir nehmen sie auf jeden
Fall mit. Vielleicht können wir sie unterwegs verkaufen.“
„Du scheinst
dich mehr und mehr zu einer Handelsfrau zu entwickeln. Wenn du so weiter
machst, werden wir, bis wir in Rom angelangt sind, steinreich sein“, meinte
Emilia mit einem Grinsen.
„Oder tot“,
erwiderte Serafina trocken. Sie bückte sich und las das lange Messer des
Räubers auf. Entschlossen steckte sie es in ihren Gürtel. „Komm, lass uns hier
verschwinden. Dies ist kein Ort zum Verweilen.“ Sie banden die Pferde los.
Während sie den Weg zu ihrem ursprünglichen Rastplatz einschlugen, erzählte
Serafina ihrer Weggefährtin, wie es überhaupt zu dem Überfall gekommen war. Sie
wäre erwacht und hätte Emilia friedlich träumend vorgefunden. „Ich beschloss,
dir noch ein paar Minuten süßer Träume zu gönnen und bin mit den Pferden zum
Bach runter.
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