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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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würde
ihm klipp und klar erklären, dass diese Quelle für ihn versiegt wäre. Die
massive Türe der Bibliothek öffnete sich. Emilia blieb demonstrativ hinter
ihrem Schreibtisch sitzen, den sie an das große Fenster hatte rücken lassen.
    Piero
beherrschte die Kunst des großen Auftritts und rauschte mit dem Elan eines
Siegers herein. Wie stets war er nach der neuesten französischen Mode
herausgeputzt und die Bänder und Schleifchen wehten. „Geliebte Schwester!“,
rief er überschwenglich. „Welche Freude, Dich zu sehen. Du bist so schön wie eh
und je, trotz der furchtbaren Dinge, die du durchlebst habt.“
    „Spar dir
den Atem. Wenn du gekommen bist, um mich erneut um Geld anzubetteln, kannst du
gleich wieder verschwinden“, empfing sie ihn schroff.
    „Und genauso
charmant wie eh und je. Wie kommst du nur darauf, dass ich Geld von dir erbitten
will?“
    „Vielleicht,
weil dies der alleinige Anlass deines letzten und vorletzten Besuches und auch
von jenem davor gewesen ist?“, erwiderte Emilia spitz. Ihr Blick umfing seine
erlesene Kleidung und blieb an der diamantbesetzen Nadel haften, die die
Schleife seines Kragens zierte. „Ich stelle fest, dein Schneider ist ein
reicher Mann.“
    Piero hob
sein Jabot an: „Dieser alte Fetzen? Ich bitte dich“, meinte er lässig.
„Tatsächlich laufen meine Geschäfte über die Maßen gut. Ich werde sogar in
Kürze in der Lage sein, dir eine kleine Dividende auszahlen zu können, liebste
Schwester“, verkündete er gönnerhaft.
    „Wie ich
sehe, hast du dir selbst schon eine kleine Dividende gegönnt.“ Sie deutete mit
dem Kopf auf seinen Zierdegen, den ein leuchtender Rubin zierte.
    „Ja, ein
Präsent meiner lieben Gemahlin. Sie hat einen überaus exquisiten Geschmack.“
    „Ich habe
schon gehört, dass du dich kürzlich neu vermählt hast. Meinen Glückwunsch
dazu.“
    „Ja, wie du
sicher erfahren hast, war der Papst so freundlich, endlich meine erste Ehe zu
annullieren. Meine Gattin und ich hätten uns sehr gefreut, dich bei unserer
Hochzeit begrüßen zu dürfen. Leider hattest du erst kürzlich deinen zweiten
Gemahl verloren.“
    „Genug der
Höflichkeiten“, sagte Emilia hart. Sie wollte jetzt nicht an Sergej denken.
„Was willst du? Sag es und dann verschwinde wieder. Wie du dich selbst
überzeugen kannst…“, Emilia deutete auf den Stapel Dokumente auf ihrem
Sekretär, „Habe ich heute noch viel zu erledigen.“
    „Du bist
eine tüchtige Unternehmerin geworden“, lobte Piero gönnerhaft. Er zog sich
selbst einen Stuhl heran und beugte sich zu ihr hinüber: „Warum verhältst du
dich so frostig, Schwesterherz? Warum kann ein Bruder nicht seine Schwester und
seinen Neffen besuchen kommen? Ihr seid meine Familie. Apropos Familie… Wie
geht es unserem Bruder Emanuele? Seht ihr euch oft, jetzt, da ihr quasi Tür an
Tür wohnt?“
    Emilia
fühlte sofort ein warnendes Kribbeln in ihrem Nacken. Piero hatte sich kaum je
für den jüngeren Emanuele, den er stets `den armen Pfaffen´ tituliert hatte,
interessiert. Auch sonst hatte er nie Interesse an der Familie bekundet. Das
einzige, was Piero interessierte, war Gold. Dafür hatte er sogar seine eigene
Schwester verkauft. Eben das konnte sie ihm nicht verzeihen. Sie verspürte
daher verständlicherweise nicht die geringste Lust mit ihm zarte Familienbande
zu knüpfen. „Nein, Emanuele und ich sehen uns sehr selten“, antwortete sie ihm
jetzt. „Unser Bruder ist äußerst beschäftigt. Du kannst ihn aber gerne selbst
besuchen. Er wohnt im Collegio Romano.“ Emilia erhob sich halb zum Zeichen,
dass sie von ihm erwartete, dass er nun gehen würde. Doch Piero gab vor, ihre
Geste nicht verstanden zu haben.
    „Wirklich,
du bist eine dürftige Gastgeberin. Willst du deinem Bruder nicht wenigstens
eine Erfrischung anbieten? Wo ist denn mein kleiner Neffe Ludovico? Ich würde
ihn gerne in Augenschein nehmen. Wie ich höre, hat er sich zu einem wahren
Prachtburschen entwickelt.“
    „Ach, und
wer hat dir das erzählt? Ich denke kaum, dass wir Umgang mit den selben
Personen pflegen“, entgegnete Emilia trocken.
    „Aber der
stolze Großvater, natürlich“, erwiderte Piero mit einem selbstgefälligen
Lächeln.
    „Du hast
Vater gesehen? Wann? Geht es ihm gut?“, rief Emilia und sprang auf. In ihrer
Erregung entging ihr das kurze triumphierende Aufflackern in Pieros Augen.
    Sie selbst
hatte ihren Vater seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Sie hatte vorgehabt,
im Frühjahr nach der vollständigen

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