Das Hexenkreuz
doch Recht hatte und Piero aus seinen
früheren Taten etwas gelernt hatte. Er hatte sich neu verheiratet und ein
gemeinsames Kind war unterwegs und endlich schien ihm auch in seinen
Unternehmungen Glück beschieden zu sein.
Vor dem
Zubettgehen sprach sie mit Serafina über Pieros wundersame Wandlung.
„Ich kann
deine Zweifel nachvollziehen und ich teile sie…“, meinte diese, während sie
Emilias Kleid aufhakte und die Bänder des Schnürleibes lockerte. Emilia atmete
hörbar aus. „Puh, was für eine Erleichterung“, stieß sie hervor. „Ehrlich, ich
hasse diese verdammten Dinger. Ich schwöre dir, müssten Männer diese Tortur
ertragen, wären sie schon längst abgeschafft!“
„Emilia“,
sagte Serafina gedehnt. Sie traf haargenau denselben leicht tadelnden Ton, den
sie mehrmals aus dem Munde des Markgrafen vernommen hatte, der seine junge Frau
damit zu mehr Schicklichkeit ermahnte.
Die beiden
Freundinnen sahen sich an und prusteten gleichzeitig los. „Der arme Augusto“,
kicherte Emilia, „mit unserer Vittoria hat er sich wirklich was eingefangen.“
„Ja, aber er
scheint mit seinem Los durchaus zufrieden. Hast du bemerkt, wie er sie
anschmachtet?“ Serafina griff nach der Elfenbeinbürste und machte sich daran,
Emilias langes Haar zu kämmen.
„Natürlich.
Und ich gönne Vittoria ihre Liebe von ganzem Herzen. Es ist schön zu sehen, wie
sich das Glück wenigstens für einige wenige erfüllt.“ Ihre Augen begegneten
sich kurz im Spiegel. „Sei nicht ungerecht, Emilia. Du hast Ludovico und du
hattest, zumindest für eine kurze Zeit, Sergej, der dich kaum weniger
vergöttert hat“, erinnerte sie Serafina sanft.
„Das ist es
ja gerade, Serafina. Da ich nun weiß, wie Glück sich anfühlt, ist es für mich
umso schwerer, darauf zu verzichten. Aber du hast Recht. Ich habe keinen Grund,
mich zu beklagen. Ich habe Ludovico und Sascha und meinen Bruder Emanuele. Und
Vater und dich, die du mir zugleich Schwester und Freundin bist. Mein Leben ist
reich, denn ich habe darüber hinaus auch die Hoffnung...“
Sie schloss
die Augen und überließ sich Serafinas sanften Händen, die ihr Haar bürstete,
bis es knisterte, und sein schimmernder Glanz mit dem Licht der Kerzen um die
Wette eiferte. Unweigerlich gelangten Emilias Gedanken wieder bei Piero an. Sie
öffnete ihre Augen und suchte die Tür ihrer Kleiderkammer. Serafina war ihrem
Blick gefolgt. „Ich bin deiner Meinung. Irgendwie kann ich nicht richtig an
Pieros wundersame Wandlung glauben. Dafür kennen wir ihn zu gut. Es würde mich
mehr beruhigen, wenn Piero dich erneut um Geld angegangen hätte. Wir sollten
ihn unbedingt im Auge behalten.“ Unbewusst spielte Serafina mit dem Schlüssel
um ihren Hals. Emilia nickte zustimmend. „Ich werde auf jeden Fall Donatus
instruieren, ebenfalls ein Auge auf ihn zu haben. Piero verfügt über kein
nennenswertes Talent, außer einem: Er kann Geheimnisse geradezu riechen. Gott
sei Dank sind wir ihn morgen wieder los.“ Emilia schlüpfte in ihr seidenes
Nachthemd und warf sich den passenden Mantel über, der mit weichen
Schwanenfedern gesäumt war.
„Soll ich
heute Nacht bei dir schlafen?“, bot Serafina spontan an, während sie Emilias
Kleider vom Boden aufsammelte, aus denen ihre Freundin achtlos gestiegen war.
Zuvor hatte sie mit raschen Griffen Emilias kostbare Toilettenartikel aus Gold
und Elfenbein auf ihrem Frisiertisch geordnet. Emilia legte ihre Hand auf
Serafinas Arm.
„Nein, das
ist wirklich nicht nötig. Und damit meine ich beides. Hatten wir nicht geklärt,
dass du nicht meine Zofe bist?“, sagte sie leise. Sie nahm Serafina die Kleider
ab. „Aber ruf mir bitte Donatus, wenn du gehst, damit ich ihn entsprechend
instruieren kann.“
Beim
Frühstück am Morgen bestürmte Vittoria Emilia zu einem gemeinsamen Ausritt.
Piero hatte die Gelegenheit beim Schopf gepackt und verkündet, einen weiteren
Tag zu bleiben. Geschickt hatte er dies in Gegenwart des Grafenpaares vorgebracht,
so dass Emilia kaum ablehnen konnte, falls sie nicht als ungastlich gelten
wollte - eine Todsünde für jeden waschechten Italiener.
Es
widerstrebte Emilia, Piero allein im Palazzo zurückzulassen, zumal Serafina
heute ihren Pflichten in der Schule nachkommen musste. Selbstverständlich
hatten Filomena und sie inzwischen auch weitere Lehrer eingestellt, doch sie
sahen sich in der Verantwortung Tag und Nacht für ihre Schützlinge da zu sein.
Zu Emilias
Erleichterung verkündete Piero großspurig, dass er selbst
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