Das Hexenkreuz
nicht“,
antwortete Emanuele. Er sank mit gebührendem Abstand zu dem Paket auf das Bett.
„Was
befindet sich dann darin?“
„Das weiß
ich nicht. Überdies darf ich mit niemandem darüber sprechen.“
Er hätte sie
besser kennen müssen. Emilia pflanzte sich vor ihm auf. „Ich bin aber nicht niemand “,
schnaubte sie. „Du glaubst doch nicht etwa, Bruderherz, dass du hier mitten in
der Nacht in dieser seltsamen Verkleidung bei mir auftauchen kannst und ohne
eine Erklärung davonkommst? In diesem Haus schlafen meine Kinder und ich muss
wissen, ob sie in Gefahr sind.“
Emanuele
blinzelte. Er wurde noch eine Winzigkeit blasser. „Schon gut, kein Grund, die
Geschütze aufzufahren ... Es handelt sich um Dokumente aus unserem Archiv“,
erklärte er nun mit gedämpfter Stimme. „Der Pater General hat sie mir
anvertraut. Er hat mich gebeten, diese an einem Ort meiner Wahl zu verwahren,
bis sich ein Bote bei mir meldet.“
„Das
verstehe ich nicht. Warum behält er sie nicht einfach selbst?“
„Weil er überzeugt
ist, dass sie innerhalb unserer Kurie nicht mehr sicher sind.“
Emilia
schluckte. Ihre Kehle fühlte sich plötzlich eng an. „Das… ist ein großer
Vertrauensbeweis", stieß sie hervor.
„Aber vor
allem eine große Bürde“, mischte sich Serafina ein. Sie trat näher und tippte
das Paket an. „Ahnst du wenigstens, was es beinhalten könnte?“
„Kaum. Es
steht mir nicht zu, den Pater General danach zu fragen. Er hat lediglich geruht
anzudeuten, dass der Inhalt niemals in die Hände der Feinde unseres Ordens fallen
darf. Verzeih mir, Schwester, dass ich dich damit belaste. Ich bin eine ganze Weile
unschlüssig durch die Stadt gelaufen, bis ich bemerkt habe, dass ich verfolgt
werde. Ich konnte die Verfolger abschütteln und fand mich jäh vor deinem Haus
wieder. Ich glaube fast, die Vorsehung hat meine Schritte hierhergelenkt.
Könntest du das Paket so lange bei dir verstecken, bis es gefahrlos an seinen
alten Verwahrungsort zurückkehren kann?“ Emanuele sah sie bittend an.
Emilia
fühlte sich unwillkürlich in ihre gemeinsame Kindheit zurückversetzt. Sie
schenkte ihm ein Lächeln voller Wärme. Erstaunt fragte er: „Warum lächelst du,
Schwester? Woran denkst du?“
„Daran, dass
unser Dreierbund nie zerbrochen ist. Haben wir als Kinder nicht stets alle
unsere Geheimnisse miteinander geteilt? Du hast recht daran getan, zu mir zu
kommen. Selbstverständlich helfe ich dir, Bruderherz. Ich werde das Paket für
dich verwahren. Es ist hier sicher.“ Emanueles Züge entspannten sich zum ersten
Mal, seit er die Schwelle zu ihrem Gemach übertreten hatte. Er nahm die Hände
seiner Schwester und legte sein Gesicht in einer anrührenden Geste hinein. Dann
erhob er sich mit einer raschen Bewegung und griff nach der Perücke.
„Du musst
schon wieder fort?“, rief Emilia unglücklich.
„Leider. Ich
sollte vor dem Morgengrauen zurück in meinem Quartier sein.“ Der gehetzte
Ausdruck war auf sein Gesicht zurückgekehrt. „Was ist mit deinem Majordomus?
Wird er über diesen nächtlichen Besuch Stillschweigen wahren?“
„Natürlich,
ich vertraue Donatus vollkommen. Außerdem glaube ich nicht, dass er dich
erkannt hat.“
Emanuele stülpte
sich die Perücke mit Hilfe von Emilias Spiegel über. Als nächstes schnürte er
die Kordel um seine plötzlich wieder schmal gewordene Taille. Serafina trat zu
ihm.
„Möchtest du
bevor du gehst, nicht wenigstens eine Kleinigkeit zu dir nehmen? Mir scheint,
dein Orden ist nicht gerade üppig mit seinen Mitgliedern“, konstatierte sie.
Emanuele
verzog den Mund zu einem kläglichen Lächeln: „Liebe Serafina, regelmäßige
Mahlzeiten sind in der Tat meine geringste Sorge.“ Dann umarmte er sie nacheinander.
„Gott mit dir, meine Schwester. Und auch mit dir, Serafina. Gib mir auf Emilia
acht!“
„Keine
Sorge! Tue ich das nicht schon, seit wir Kinder waren?“
Sie drückte
ihm ein kleines Säckchen in die Hand, nachdem sie rasch die Früchte und das
Konfekt aus der Schale auf dem Tisch geplündert hatte. „Hier, nimm wenigstens
das. Du kannst weder Gott noch dem Pater General dienen, wenn du vor Hunger
stirbst.“
Emanuele
schenkte ihr zum Dank das erste richtige Lächeln des Tages. Dann war er fort.
Zurück blieb
das halbrunde Paket auf Emilias Bett. Wie von einem geheimen Magnetismus
angezogen, steuerten die beiden jungen Frauen darauf zu. In ihren Augen stand
der selbe Argwohn zu lesen, als verdächtigen sie es, jeden Moment in
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