Das Hexenkreuz
zu
sehen? Ich habe dich so vermisst!“ Vittoria hatte die wenigen Schritte, die sie
trennten, überwunden und umarmte Emilia stürmisch. In der Tür tauchte nun auch
ihr Mann Augusto, Markgraf der Toscana, auf. Wie immer lächelte er nachsichtig.
Man konnte sehen, wie sehr er seine junge und temperamentvolle Gattin
vergötterte.
Vittoria
entdeckte nun Piero: „Oh, du hast noch mehr Besuch?“, erkundigte sie sich
neugierig und sah Emilia auffordernd an. Emilia seufzte und ergab sich in ihr
Schicksal.
„Darf ich
Euch miteinander bekannt machen? Vittoria, das ist Cavaliere Piero di Stefano,
mein älterer Bruder, der in Venedig lebt. Und das, Bruder, sind Augusto, der
Markgraf der Toscana und seine Gemahlin, Markgräfin Vittoria.“
Vittoria
versank in einen rudimentären Knicks und reichte Piero ihre Hand zum Kuss. Dieser
sagte: „Ihr seht mich außerordentlich entzückt, Eure Bekanntschaft zumachen,
Herzogin Vittoria. Eure Schönheit und Euer Charme sind bereits bis nach Venedig
vorgedrungen“, schmeichelte Piero.
„Oh Venedig!
Ich liebe La Serenissima. Ihr müsst mir unbedingt mehr davon erzählen. Leider
hatte ich bisher erst einmal das Vergnügen, dort zu weilen. Aber wir werden
Venedig sicher im nächsten Frühjahr einen Besuch abstatten, nicht wahr, mein
liebster Augusto?“ Dieser nickte nur, im Bewusstsein, dass keine weiteren Worte
von ihm erwartet wurden. Emilia erinnerte sich nun an ihre Pflichten als
Gastgeberin. „Seid Ihr eben erst in Rom angekommen?“, richtete sie das Wort an
den Grafen Augusto.
„Aber
natürlich, was denkst du denn?“, antwortete Vittoria an seiner Statt. „Wir sind
selbstverständlich gleich zu dir geeilt. Mama und Papa weilen ja nicht in der
Stadt ... Selbst wenn, ich habe Augusto gesagt, dass es bei dir viel lustiger
zugeht.“ Vittora lächelte in aller Lieblichkeit.
„Vittoria“,
ermahnte sie der Herzog sanft.
„Ja, ja, ich
weiß, mein Liebster, ich sollte den Teufel nicht beim Namen nennen.“ Sie
trippelte zu ihm, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen
raschen Kuss auf die Wange. Sofort besänftigt küsste er ihre Hand.
Durch die
offene Tür entdeckte Emilia Donatus, der sich auffällig vor der Bibliothek
herumdrückte: „Donatus, bitte führt das gräfliche Paar in das Gästeappartement.
Sie möchten sich sicher vor dem Souper frischmachen.“
„Ach herrje,
stimmt ja! Wir sind furchtbar staubig. Wir sind nämlich das letzte Stück des
Weges geritten“, beeilte sich Vittoria das Offensichtliche zu erklären. „Es war
einfach herrlich.“ Vittoria hakte sich fest bei ihrem Gatten ein. Beim
Hinausgehen wandte sie halb den Kopf und rief: „Cavaliere, ich brenne auf die
neuesten Geschichten aus Venedig. Ihr müsst mir unbedingt beim Souper alles
erzählen ... Au revoir!“ Am Arm ihres geduldigen Gatten schwebte sie davon.
Piero sah
ihr interessiert nach. „Was für eine entzückende Person ... Nun, liebe
Schwester? Gewährst du mir wenigstens für heute Nacht Obdach und ein warmes
Abendessen?“
Emilia
seufzte. „Also gut. Wie es den Anschein hat, bleibt mir kaum eine Wahl, wenn
ich nicht unhöflich erscheinen will. Du kannst für diese eine Nacht bleiben.
Ich gehe meinen Majordomus informieren.“
Bei ihrer
Rückkehr fand sie Piero am selben Fleck vor. Mit auf dem Rücken verschränkten
Armen studierte er die Reihen der Bücher. Seine Miene wirkte viel zu arglos.
Gerade dies beunruhigte Emilia auf seltsame Weise mehr als seine übliche
blasierte Art.
Das
Abendessen indessen gestaltete sich sehr lustig, wie jede Tafel, an der
Vittoria Anteil hatte. Die Nachricht, dass ihr Bruder Francesco überlebt hatte,
hatte ihre fröhliche Unbeschwertheit zurückgebracht. Sie unterhielt die Tischgesellschaft
fast im Alleingang, zu der sich auch Serafina rechtzeitig eingefunden hatte.
Filomena zog es meist vor, in der Schule zu nächtigen und ihre Zöglinge zu
beaufsichtigen. Außerdem gab es da noch Ta-Seti. Der riesige Nubier war zwar
damals gemeinsam mit seinen Kameraden in die Heimat zurückgekehrt, doch vor
einigen Monaten war er plötzlich wieder bei Filomena aufgetaucht. Die beiden
führten ein geheimes und höchst gefährliches Liebesleben.
Piero fügte
sich glänzend in die Gesellschaft ein. So sehr sich Emilia bemühte, sie konnte
kein Anzeichen seiner früheren Großspurigkeit an ihm entdecken. Er gab sich höflich
und zuvorkommend und erwies sich als charmanter Plauderer. Am Ende des Abends
fragte sie sich, ob ihr Vater vielleicht
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