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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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Spion. Trotzdem bleibt die
Frage, was er vor der Villa Meraviglia suchte. Mir ist nicht wohl bei alledem.
Ich habe das Gefühl, als steuerten wir Stück für Stück auf etwas Großes zu. Wir
müssen handeln und zwar sofort!“
    Serafina
versteifte sich augenblicklich auf der Sesselkante: „Oh, nein, ich kenne diesen
Ausdruck. Was brütest du jetzt wieder aus?“
    „Ich bin mir
nicht sicher, ob es so klug gewesen ist, dem Schicksal sieben weitere Tage
zuzugestehen. Was ist, wenn wir die Zeichen falsch gedeutet haben?“
    Serafina
kniff ihre Augen zusammen und glich dadurch mehr denn je einer misstrauischen
Katze: „Was hast du vor?“
    „Das, was
ich schon am Abend von Emanueles Besuch hätte tun sollen. Ich werde dieses
vermaledeite Paket öffnen, bevor noch mehr Besucher, gebetene und ungebetene,
mein Haus bevölkern. Das Ding zerfrisst meinen Seelenfrieden. Seit Tagen kann
ich an nichts anderes denken.“
    Serafinas
Puls hatte sich mit jedem von Emilias Worten beschleunigt: „Emilia, bitte! In
wenigen Stunden bricht der sechste Tag an. Fordere das Schicksal nicht heraus
und warte noch diesen einen Tag ab!“, beschwor sie sie.
    „Wer
behauptet, dass wir damit das Schicksal herausfordern? Ob es nun verschlossen
bei uns lagert oder wir es öffnen und einen Blick hinein riskieren, kommt im
Grunde auf dasselbe hinaus, oder? Es handelt sich hier nicht um die Büchse der
Pandora. Danach schließen wir es wieder weg und basta. Außerdem, wenn die
Prophezeiung wahr ist, dann ist alles vorbestimmt und nichts, was wir tun, kann
etwas daran ändern.“
    Serafina
schüttelte heftig den Kopf. „Warum drängt es dich so sehr danach, den Inhalt zu
kennen? Du sagtest es eben selbst: Es macht keinen Unterschied, ob es
verschlossen oder geöffnet ist. Warum es dann nicht dabei belassen, zumal wir
damit Emanueles Vertrauen missbrauchen? Manchmal kann zuviel Wissen tödlich
sein - niemand weiß das besser zu beurteilen, als die Frauen unserer Familie“,
erwiderte Serafina unglücklich. Sie wusste längst, dass sie auf verlorenem
Posten kämpfte. Nichts und niemand würde Emilia jetzt noch daran hindern,
Riccis Paket zu öffnen.
    „Ich
wiederum verstehe nicht, warum du dich so sehr dagegen sträubst, Serafina. Ich muss
es tun und mir endlich Gewissheit verschaffen.“ Emilia betrat ihre
Kleiderkammer und kehrte mit Riccis Paket zurück. Sie löste zunächst den darum
geschlungenen Lederriemen. Dann nahm sie den zurechtgelegten Dolch und fuhr mit
der Spitze in das Wachstuch. Vorsichtig trennte sie es auf einer Seite auf und
schlug behutsam die überlappenden Schichten auseinander. Darunter kamen ein
Dutzend längliche Päckchen zum Vorschein, um die weiteres Wachstuch geschlungen
war. Serafina kniete längst neben ihr.
    „Kannst du
dich erinnern, Serafina, dass Emanuele sich beklagt hat, dass das Päckchen ihn
versenge? Er hatte Recht, weißt du? Einige fühlen sich tatsächlich warm an,
aber die meiste Hitze scheint von diesem hier auszugehen.“
    Emilia nahm
die besagte Rolle vorsichtig mit beiden Händen auf. „Ich werde es als erstes
öffnen.“
    Ein
vergilbtes, an einigen Stellen bereits brüchiges Pergament lag darin,
verschlossen durch ein blutrotes Seidenband. Selbst geschlossen entströmte der
Rolle eine besondere, friedvolle Kraft. Emilia sah Serafina an, die wie
erstarrt neben ihr verharrte. „Du kannst es ebenso fühlen wie ich, oder? Welche
Magie nimmt uns beide gefangen?“, flüsterte Emilia. Behutsam löste sie das rote
Band und entrollte mit zitternden Fingern das Pergament. Das wunderbare Gefühl
von Geborgenheit intensivierte sich, hüllte sie vollständig ein. Emilias Augen
saugten sich an den Buchstaben fest, doch sie konnte nicht einen davon
entziffern. Der Text war in einer ihr völlig unbekannten Sprache verfasst. „Oh
nein, was für eine Törin ich doch bin“, stieß sie entmutigt hervor. Rücklings
ließ sie sich in den weichen chinesischen Seidenteppich sinken. Mit allem hatte
sie gerechnet, nur nicht, dass sie die Dokumente gar nicht erst würde lesen
können. Das hatte sie nun von ihrem Alleingang. Sie hatte nichts dadurch
gewonnen.
    Serafina
hatte sich nicht bewegt und starrte wie gebannt auf das Pergament. Sie hatte es
oben und unten mit zwei Gedichtbänden beschwert, die sie flugs aus den Weiten
ihres Schürzenkleides gezaubert hatte. „Bei dieser Schrift handelt es sich
einwandfrei um aramäische Buchstaben. Das ist die Sprache der Urbibel“,
flüsterte sie heiser.
    Emilia
schnellte hoch.

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