Das Hexenkreuz
haben soll, die eine
Verhaftung rechtfertigen?“
„Verzeiht,
Eure Heiligkeit…“ Carlo Rezzonico schluckte und warf einen vorsichtigen Blick
auf den russischen Botschafter. Dann fuhr er tapfer fort: „Aber der Fürstin
wird vorgeworfen sich widerrechtlich Kircheneigentum angeeignet zu haben, im
Verbund mit den Feinden der Heiligen Römischen Kirche zu stehen und sich der
Tötung eines Angehörigen der Garde Eurer Heiligkeit schuldig gemacht zu haben, während
sie sich ihrer Verhaftung widersetzte“, schnarrte er herunter.
Prinz
Galitzin und Papst Clemens reagierten mit einem fast identischen Ausruf.
„Wie?“, rief
der Papst.
„Was?“, rief
der Russe.
Der Papst
fasste sich nur schwerlich. „Nun, dies sind, wie mir scheint, schwerwiegende
Anschuldigungen…“, murmelte er beinahe unhörbar in sich hinein.
Galitzin
beugte sich ein wenig vor. „Wenn ich hierzu etwas vorschlagen darf, Eure
Heiligkeit?“
Clemens sah
auf und deutete ihm durch eine schwache Handbewegung an fortzufahren.
„Es gibt
eine einfache Möglichkeit, diese Anschuldigungen zu verifizieren. Warum die
Fürstin nicht selbst dazu befragen?“, schlug er schlau vor. Der Russe umfasste
die kleine silberne Flasche in seiner Tasche, dem Unterpfand, dass Pater
Baptistas Plan gelingen konnte. Er spekulierte darauf, einige Minuten allein
mit Emilia sprechen zu können und ihr dabei heimlich das Fläschchen
zuzustecken.
Der Papst
rieb sich nachdenklich das Kinn. „Also gut. Pater Carlo, geht bitte und lasst
die Fürstin hierherbringen!“
„Eure
Heiligkeit wollen selbst…?“, stotterte der Camerlengo, den Clemens´ Bitte
offensichtlich aus der Fassung brachte. Prinz Galitzin reagierte kaum minder
überrascht. Wenn der Papst vor hatte Emilia selbst zu befragen, würde er kaum
die Gelegenheit erhalten, mit ihr unter vier Augen zu sprechen. Wie sollte er
ihr dann den Plan erläutern? Seine Finger krampften sich unwillkürlich um das
kleine Gefäß zusammen.
„Aber
natürlich. Was spricht dagegen?“, entgegnete Clemens ruhig. „Die Angelegenheit
erscheint mir wichtig genug, um mich persönlich davon zu überzeugen.“
Pater Carlo
verbeugte sich und ging.
„Wie man mir
vermeldet hat, hat die Zarin Katharina kürzlich ein Toleranzedikt
unterschrieben, das die Duldung aller religiösen Bekenntnisse beinhaltet“, nahm
Clemens das Gespräch auf.
„In der Tat.
Allerdings nimmt dieses Edikt unsere jüdischen Untertanen aus“, beeilte sich
Galitzin klarzustellen. Es war bekannt, dass dieses erst vor wenigen Tagen
verkündete Edikt den Unmut des Vatikans geweckt hatte.
Clemens
antwortete denn auch entsprechend: „Ich frage mich nur, geschah dies aus
Überzeugung oder aus politischem Kalkül? Wie ich ebenfalls vernahm, steht die
Zarin der Idee der Aufklärung nahe? Hat sie sich nicht gar die Rechte an der
umfangreichen Bibliothek des französischen Enzyklopädisten Diderot gesichert?
Und unterhält sie nicht einen regen Briefwechsel mit den französischen
Aufklärungs-Philosophen Voltaire und Montesquieu?“
„Wie auch
mit dem Italiener Cesare Beccaria“, lächelte der Russe. „Ihr seid sehr gut
unterrichtet, Heiligkeit.“
„Oh, ich
denke, dass jedermann inzwischen bekannt sein dürfte, dass die Zarin Katharina
vielfältige Interessen verfolgt.“ Da der Satz so oder so interpretiert werden
konnte, begnügte sich der Botschafter dieses Mal mit einem vagen Nicken.
Das Warten
zog sich ungewöhnlich lange hin. Clemens wollte eben nach der Glocke greifen
und sich erkundigen, warum seinem Ansinnen so lange nicht entsprochen wurde,
als die Tür sich öffnete. Der Camerlengo schritt voran. Er wirkte sichtlich
mitgenommen. Hinter ihm, von einer Wache leicht gestützt, ging Emilia. Man
hatte ihr hastig Kleid und Schleier einer Nonne übergestreift. Sie war blass,
wirkte jedoch gefasst.
Prinz
Galitzin war bei ihrem Erscheinen sofort aufgesprungen und eilte ihr entgegen.
„Fürstin Emilia. Lasst mich Euch sagen, wie sehr es mich betrübt, Euch unter
diesen Umständen wieder zu begegnen. Wie geht es Euch? Kommt, nehmt meinen
Arm.“
Er wollte
sie führen, doch Emilia löste sich von ihm und steuerte direkt auf Clemens XIV.
zu. Dieser streckte ihr die Hand entgegen und sie küsste seinen Ring. Als sie
sich wieder erheben wollte, geriet sie ins Taumeln. Der Arm des Botschafters
stützte sie: „Kommt, meine Liebe. Ihr seid ja völlig am Ende Eurer Kräfte
angelangt!“ Galitzin machte sich inzwischen Hoffnungen, dass sich durch
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