Das Hexenkreuz
zugeben.
„Und von wem
habt Ihr dieses erhalten?“, stellte nun der Papst die gefürchtete Frage selbst.
Emilia biss
sich auf die Lippe. Bertolli anzulügen war eine Sache, doch dem Papst selbst
direkt ins Gesicht zu lügen, eine andere…
„Das kann
ich Euch nicht sagen“, erwiderte sie daher ausweichend.
„Ha“, entfuhr
es Bertolli triumphierend. „Ihr gebt also zu, dass Ihr mich bisher angelogen
habt? Ihr habt diese Kopie also keineswegs einem harmlosen Händler auf dem
Campo di Fiori abgekauft? Dann war auch Eure Beschreibung dieses angeblichen
Mannes eine reine Erfindung? Heiligkeit, diese Frau ist eine raffinierte
Lügnerin, die vor nichts zurückschreckt. Lasst sie mich weiter befragen, und
ich werde ihr die Wahrheit entreißen!“
Emilia
würdigte ihn keines Blickes, sondern konzentrierte sich allein auf den Papst. „Es
stimmt. Diese Abschrift wurde mir tatsächlich von einer Person übergeben.“ Was
der vollen Wahrheit entsprach, denn Filomena hatte sie überredet, das echte
Evangelium bei ihr zu lassen.
„Dann nennt
uns den Namen dieser Person, meine Tochter, und ich verspreche Euch, dass Ihr
noch heute Abend zu Euren Kindern nach Hause zurückkehren könnt.“ Milde
lächelte sie der Papst an.
Emilia
schüttelte den Kopf. „Verzeiht mir, Eure Heiligkeit, aber das kann ich leider
nicht tun. Denn wie könnte ich es mit meinem Gewissen vereinbaren, damit eine
andere Person ins Unglück zu stürzen?“
Clemens
wirkte mit einem Mal sehr betrübt. „Ich fürchte, dass ich unter diesen
Umständen dem Konsultor beipflichten muss und Eure Freilassung nicht anordnen
kann.“
„Dabei müsst
Ihr Euer Gewissen weniger belasten, als Ihr denkt, Fürstin“, warf Bertolli ein
und bemühte sich in Gegenwart des Papstes um einen wohlwollenden Ton. „Im
Grunde sind uns der Name oder vielmehr die beiden Namen, längst bekannt. Alles
was Ihr tun müsst, ist bei der Nennung der Namen zu nicken. Daher frage ich
Euch nun, Fürstin Wukolny, handelte es sich bei jenen Personen vielleicht um
Euren Bruder Emanuele di Stefano oder um einen gewissen Pater Remo Baptista?“
Der Köder war ausgelegt, doch Emilia würde ihn nicht schlucken. „Daher weht also
der Wind? Allein die Tatsache, dass mein Bruder dem Jesuitenorden angehört,
macht ihn also für Euch verdächtig? Ihr legt es wohl auf Sippenhaft an? Wie
armselig Eure Methoden doch sind, ebenso armselig, wie mich Eurem
stumpfsinnigen Henker auszuliefern und foltern zu lassen!“ Bevor jemand
einschreiten konnte, hatte sich Emilia das Gewand vom Leib gerissen und ihren
weißen Rücken entblößt. Dessen zarte Haut war durch blutige Striemen
gezeichnet. Bestürzte Ausrufe waren die Folge. Niemals hatte sich jemand eine
solche Schamlosigkeit in Gegenwart des Papstes erlaubt!
Mehrere
Schrecksekunden verstrichen, während deren sich Emilias königlicher Rücken
unauslöschlich in das Gedächtnis aller Anwesenden einbrannte.
Prinz
Galitzin erlangte als erster seine Fassung zurück. Er zerrte sich sein braunes
Samtjacket vom Leib und hüllte Emilia vorsichtig darin ein. Dann führte er sie
zu seinem Sessel und half ihr sich zu setzen. „Ihr habt es tatsächlich gewagt,
Hand an die Fürstin Wukolny zu legen?“, ging der Russe dann auf Bertolli los.
„Bei Gott, wärt Ihr nicht Priester, ich würde Euch fordern!“
Bertolli gab
sich unschuldig. Er breitete die Hände aus und meinte: „Ein unverzeihliches
Missverständnis, Eure Exzellenz. Einer meiner Männer wollte sich durch Übereifer
auszeichnen.“
„Das stellt
Eure gesamte Entschuldigung dar? Es als das Versehen eines Untergegeben zu
deklarieren, ist ja noch feiger, als eine wehrlose Frau zu foltern“, ereiferte
sich der Russe. „Eure Heiligkeit“, wandte er sich nun direkt an den Papst. „Ich
verlange in meiner Eigenschaft als Repräsentant der Zarin von Russland
Genugtuung. Dieser Mann hat sich gegen eine unschuldige Untertanin ihrer
Majestät Katharina II. auf das Schändlichste verhalten!“
Bertolli
ließ sich dadurch keineswegs einschüchtern. „Ha, unschuldig behauptet Ihr? Dann
lasst Euch sagen, wenn diese Frau unschuldig ist, dann fließt der Tiber ab
sofort nicht mehr ins Meer. Ich werde Euch beweisen, dass…“
„Haltet ein,
Pater Bertolli“, befahl Clemens XIV. „Da Ihr die Fürstin in Gewahrsam habt,
zeichnet Ihr persönlich für ihr Wohlergehen, wie auch für die Taten Eurer
Männer verantwortlich. Ihr hattet kein Recht, die Fürstin hochnotpeinlich
befragen zu lassen. Ich
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