Das Hexenkreuz
sehe Euch
an, dass Ihr wisst, wovon ich spreche, Signorina La Tedesca. Ich fürchte, Euer
Geheimnis ist keines mehr. Seit geraumer Zeit kursieren Gerüchte, dass besagte
Karte im Jahre 1756 durch die verstorbene Herzogin Beatrice dem Jesuitenpater
della Pace gestohlen wurde, der sich auf der Rückreise einer Expedition
befunden hat. Er führte unermessliche Schätze mit sich, unter anderem die
herrlichsten Edelsteine. Eine verschlüsselte Botschaft, die vom Erfolg seiner
Expedition kündete, sowie eine Liste dieser Schätze, hat Pater della Pace
sogleich bei seiner Ankunft im Hafen von Pescara an den Pater General Centurione,
den Vorgänger unseres Pater Riccis, gesandt. Dann verschwand er spurlos und
ward niemals wieder gesehen. Gleichzeitig begann im selben Jahr der unaufhaltsame
Niedergang unseres Ordens. Ich habe immer behauptet, dass ein Fluch auf dieser
Karte liegt.“
Serafina
hatte unwillkürlich zu zittern begonnen.
„Was habt
Ihr? Ist Euch nicht wohl?“
„Nein, doch…
Also ich glaube, dass ich vielleicht weiß, was aus Eurem verschollenen Pater
della Pace geworden ist.“
„Wie? Was
sagt Ihr da?“ Pater Baptista hatte sich unwillkürlich aufgerichtet. Hektische
rote Flecken zeichneten sich auf seinen eingefallenen Wangen ab.
„Bei unserer
Flucht aus der Heimat vor sechs Jahren sind die Fürstin und ich zufällig auf
eine versteckte Höhle gestoßen. Wir fanden darin ein Skelett, eine Bibel, mit
dem Namen della Pace versehen und ein Säckchen mit Edelsteinen. Wir haben die
sterblichen Überreste begraben.“
Pater
Baptista wirkte mit einem Mal sehr erregt. Er hatte sich zu Serafina vorgebeugt
und sagte mit bebender Stimme: „Und die Edelsteine?“
Serafina hob
den Kopf. Sie sah Pater Baptista furchtlos an, als sie verkündete: „Ich habe
sie der Erde zurückgegeben, indem ich sie in die Schlucht warf.“
„Bravo,
Mädchen, Ihr habt wohl daran getan. Glaubt Ihr denn, Ihr könntet diese Höhle
wiederfinden?“
„Vielleicht,
ich weiß es nicht. Aber die Fürstin sicherlich. Sie hat ein gutes Gedächtnis
für Orte.“
„Unter all
den furchtbaren Nachrichten ist wenigstens diese eine Erleichterung. Endlich zu
erfahren, was aus meinem guten Freund geworden ist. Wie er wohl gestorben
ist?“, murmelte er. Er hielt inne. Donna Elvira und Serafina begriffen, dass er
ein Gebet für Pater della Pace selig sprach.
„Nun denn“,
fuhr Pater Baptista dann fort, „Sprechen wir über unseren Plan. Wir werden den
russischen Botschafter in unsere Absichten einweihen müssen. Er ist ein
vernünftiger Mann und wird uns seine Unterstützung nicht versagen.“
Emilia kniete auf dem Boden eines Verließes in der
Engelsburg. Vor ihr stand ein hagerer Mann, dessen Hände in den Ärmeln seiner
einfachen Soutane steckten und sah mit undurchdringlicher Miene auf sie herab. Ihre
Wunde am Oberschenkel, wo der Hieb eines Degens sie getroffen hatte, pochte
schmerzhaft.
Bisher hatte
ihr Gegenüber nicht erkennen lassen, ob er ihre wahre Identität kannte. „Also, wer
hat Euch diese Schrift gegeben? Derselbe, der Eure Ausweispapiere so
meisterhaft gefälscht hat? Ich will den Namen.“
Die falschen
Papiere waren Filomenas Idee gewesen; sie wiesen Emilia als deutschen Studenten
aus, der nach Rom gereist war, um die Wunder der Stadt zu studieren. Emilia
ließ sich durch die einfache Soutane des Mannes nicht täuschen. Sein ganzes
Gebaren ließ darauf schließen, dass es sich bei ihm um einen hohen kirchlichen
Würdenträger handelte. Sie gab sich unterwürfig: „Ich habe die Schrift auf dem
Campo dei Fiori von einem Händler erworben, Herr, da ich an den hübschen
Buchstaben gefallen gefunden habe. Bitte, hoher Herr, was könnt Ihr mir über
das Schicksal meines Dieners sagen? Ich habe ihn verletzt vom Pferd stürzen
sehen.“ Emilia machte sich in der Tat große Sorgen um Donatus. Hatte man ihn
ebenfalls gefangen genommen? Es war allein ihre Schuld. Sie hätte nicht
zulassen dürfen, dass er sie begleitete, aber er war plötzlich vor der Schule
aufgetaucht und hatte sich von der Eccellenza nicht abweisen lassen.
„So, so,
Euch gefielen die hübschen Buchstaben.“ Der Mann lächelte maliziös und
entblößte dabei einen abgebrochenen Schneidezahn, was sein leichtes Lispeln
erklärte. „Mir scheint, Eure Behauptung ist leicht zu beweisen. Beschreibt mir
den Händler und seinen Stand und ich werde sofort meine Soldaten aussenden, um
ihn hierherzubringen, damit er Eure Aussage bestätigen kann.“ Er hatte seine
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