Das Hexenkreuz
um die Zukunft ist eine machtvolle Kraft. Um sie zu beeinflussen,
sehen wir uns gezwungen Dinge zu tun, die die eigentlichen Ereignisse erst in
Gang setzen. Pater Emanuele hat mir anvertraut, dass es nicht in seiner Absicht
stand, das Paket zu Euch zu bringen. Aber er wurde verfolgt und während seiner
Flucht haben seine Füße ihn zu Euch getragen. Es heißt nicht umsonst, dass
Gottes Wege unergründlich sind. Ihr seht also, niemand kann gegen das
eigene Schicksal ankämpfen. So wie es gekommen ist, war es Gottes Wille. Darüber
hinaus ist Euer Blickwinkel falsch, liebe Fürstin: Denn hättet Ihr nicht Eurer
Neugier nachgegeben und das Evangelium unseres Herrn an Euch genommen, dann
wäre es - ebenso wie die anderen Dokumente - durch Euren Bruder gestohlen
worden und befände sich nun in der Hand unseres schlimmsten Feindes. Noch ist
nicht alles verloren, da Ihr uns mit diesen beiden Dokumenten“, er deutete auf
Emanuele, der die Ledertasche fest umklammert hielt, „eine mächtige Waffe in
die Hand gegeben habt.“
Emilia hatte
sich mit artigen Worten bei Pater Baptista für seine tröstlichen Worte bedankt.
Trotzdem kam ihr der Einfall, Francesco seinen Glauben zurückbringen zu wollen,
im Nachhinein ziemlich töricht vor. Einmal mehr hatte sie spontan gehandelt und
dem Feind mit der Kopie direkt in die Hände gespielt.
Nach der
Übergabe hatte sie Emanuele und Pater Baptista in ein Geheimnis eingeweiht, das
beim Umbau der alten Burg von Santo Stefano zutage getreten war. Außer ihr
hatten nur ihr Vater, Donna Elvira und der alte Baumeister Cesare della Vita,
ein Freund des alten Conte Abelardo, Kenntnis davon. Beim Umbau waren
überraschend umfangreiche Kellergewölbe freigelegt worden, die noch aus der
Römerzeit stammten. Sogar ein runder, wie ein antikes Amphitheater geformter
Versammlungsraum war vorhanden. Im Falle eines Falles würde dieses Gewölbe ein
hervorragendes Versteck abgeben. Des Weiteren überreichte sie ihrem Bruder eine
gut gefüllte Geldschatulle sowie mehrere Besitzurkunden für ihre Ländereien in
Italien. Auch die Villa Meraviglia befand sich darunter. Emanuele nahm ihre
Gaben nur widerstrebend entgegen. Doch Emilia ließ keine Diskussion hierüber zu,
wobei sie in Pater Baptista Unterstützung fand. „Was auch geschieht, ich will,
dass du all dies erhältst. Du benötigst ein Auskommen, falls dein Orden
tatsächlich vom Papst verboten werden wird. Und da du mich nicht nach Amerika
begleiten willst…“, sagte sie stockend. Sie schluckte, um wieder Herrin über ihre
Gefühle zu werden. „Überdies kann ich den Gedanken nicht ertragen, dass Piero
mit seinen schmutzigen Fingern in meinen Sachen herumwühlt.“
Eine Weile
vertrieben sie sich die Zeit damit, indem Emilia Pater Baptista Löcher über
Amerika in den Bauch fragte. Unvorsichtigerweise hatte dieser erwähnt, dass er
in jüngeren Jahren den neuen Kontinent bereist hatte.
„Francesco
hätte doch längst zurück sein müssen“, hob Emanuele erneut an und sprach seiner
Schwester damit aus dem Herzen. Kaum hatte Emanuele die Worte ausgesprochen, klopfte
es an der Tür. Hinter Serafina betrat der russische Gesandte Prinz Galitzin das
Zimmer. „Verzeiht mein spätes Eindringen“, entschuldigte sich dieser, „Aber ich
musste Euch einfach ein letztes Mal sehen, Fürstin, bevor Ihr Rom den Rücken
kehrt.“ Er beugte sich über die ihm gereichte Hand Emilias und küsste sie mit
Hingabe.
„Mein lieber
Alexander Mikhailovic! Ihr müsst Euch doch nicht für Eure Anwesenheit
entschuldigen. Schließlich verdanke ich Euch mein Leben. Kommt, setzt Euch zu
uns.“ Emilia deutete einladend auf den Sessel neben Pater Baptista. „Wie Ihr
seht, habe ich an meinem letzten Abend in Rom alle Verschwörer um mich
versammelt.“
„Euer
Entschluss steht also fest? Ihr werdet schon morgen nach Civitavecchia
aufbrechen und Euch zu den amerikanischen Kolonien einschiffen?“
„Ja.
Offiziell reisen Donna Elvira und ihre Tochter Serafina zu meinen Kindern ans
Meer, um ihnen die traurige Nachricht vom Tode ihrer Mutter zu überbringen. Ich
werde sie als ihre Dienstmagd verkleidet begleiten.“
„Ehrlich
gesagt, bin ich erleichtert dies zu hören. Nicht allein der Wunsch Euch zu
sehen, hat mich heute Abend hierher geführt: Ich komme eben vom Empfang des
französischen Botschafters. Euer mysteriöser Tod war heute das Thema der
Gäste. Kaum jemand, der keine Worte des Bedauerns und der Empörung dafür
gefunden hätte. Obwohl sich die
Weitere Kostenlose Bücher