Das Hexenkreuz
denn…“ Baptista erhob
sich umständlich mit Hilfe seines Stockes. „Ich fürchte, die Stunde des
Abschieds ist für mich gekommen. Pater Ricci erwartet mich. Es bleibt
hoffentlich bei Eurer geplanten Abreise morgen früh?“, fügte er hinzu, da die
junge Frau mit einem Mal zögerlich auf ihn wirkte. Daher ergänzte er: „Auch
wenn ich nur ein alter Priester bin, glaube ich zu wissen, was Euch umtreibt,
Fürstin Emilia. Gerne würdet Ihr dem jungen Herrn Colonna noch eine weitere
Tagesfrist einräumen, ist es nicht so? Gestattet mir deshalb Euch zu sagen,
dass Ihr Euren Aufbruch nicht leichtsinnig aufschieben solltet. Ihr würdet dem
Gegner dadurch Zeit geben, sich zu sammeln. Ihr müsst Rom noch heute Nacht
verlassen - auch Eurer Kinder wegen, die in Civitavecchia die Ankunft ihrer
Mutter erwarten. Es wäre fatal, wenn die Nachricht Eures Todes die Küste
erreicht, bevor Ihr selbst dort angelangt seid“, fügte er listig hinzu.
„Es ist gut.
Ihr habt Recht, wie immer“, seufzte Emilia ergeben. „Wir brechen noch vor dem
Morgengrauen auf.“
„Sehr gut.
Dann lasst mich Euch zum Abschied segnen, meine Tochter. Möget Ihr und die
Euren in der neuen Welt das Glück finden, dass Ihr Euch ersehnt. Und wer weiß,
vielleicht reist es Euch bald aus der alten Welt hinterher?“ Er zwinkerte ihr
dabei völlig unpriesterlich zu und entlockte Emilia damit das erste echte
Lachen seit langem. Er weiß es! schoss es ihr durch den Kopf. E r
weiß, dass ich Francesco liebe!
„Ihr seid
ein Schelm, Pater Baptista“, schmunzelte sie. „Und ich wünsche Euch von Herzen,
dass sich für Euren Orden und damit auch für Euch alles zum Guten wendet. Ihr
sollt wissen, dass Ihr mir jederzeit am anderen Ende der Welt willkommen seid!“
„Ich danke
Euch, meine Tochter. Gott mit Euch. Übrigens, Ihr solltet nicht mit einer Euren
eigenen Kutschen reisen. Ich werde Euch eine Kutsche senden. Sie besitzt einen
doppelten Boden. Haltet Euch bis zur Stadtgrenze darin versteckt.“
Emilia
verkniff sich nur knapp die Frage, weshalb Pater Baptista über eine Kutsche mit
doppeltem Boden verfügte. Donna Elvira stieß zu ihnen. Serafina fiel sofort die
bedrückte Miene ihrer Mutter auf. „Was ist los, Mutter? Was hast du da?“ Donna Elvira
hielt einige zerknitterte Blätter Papier in den Händen. Sie lächelte ihrer
Tochter zu und wandte sich dann direkt an Pater Baptista, indem sie ihm die
Papiere entgegenstreckte: „Dieser Entwurf hier dürfte Euch interessieren,
Pater. Cavaliere di Piero hat ihn mir bevor er ging, in die Hand gegeben. Er
sagte, er hätte die Blätter in der spanischen Gesandtschaft eingesteckt.“
Emilia sah Donna Elvira neugierig über die Schulter und erhaschte so einen
Blick auf die Überschrift: Dominus ac redemptor noster…
Pater
Baptista nahm das Papier entgegen und vertiefte sich sofort in die Lektüre. Er
las mit bebenden Lippen. Allen Anwesenden wurde bewusst, dass sie soeben Zeuge
einer wichtigen Begebenheit wurden. Am Ende entrang sich dem Pater ein
schmerzhaftes Stöhnen. Seine bleiche Hand griff nach dem Kreuz auf seiner Brust
und krampfte sich darum zusammen. Sekundenlang befürchtete Donna Elvira, dass
Pater Baptista der Schlag treffen würde, so weit traten die Adern an seinen
Schläfen hervor. Sie machte eine entsprechende Bewegung auf ihn zu, doch der
Pater hielt sie zurück.
„Lasst, es
geht mir gut. Doch was für eine furchtbare Nachricht für unseren Orden. Der
Papst lässt uns also endgültig fallen und beugt sich der Forderung der
bourbonischen Machthaber Europas. Dieses Breve beweist es. Und diese
Hinterlistigkeit, es in der spanischen Botschaft drucken zu lassen anstatt in
der vatikanischen Druckerei. Das sieht seiner Heiligkeit nicht ähnlich. Sicher hat
Moñino den Papst zu diesem heimlichen Manöver überredet, um zu vermeiden, dass
wir frühzeitig davon erfahren. Wie kurzsichtig und blind all diese Könige und
ihre Diplomaten sind“, sagte er mit von Verzweiflung getränkter Stimme. „Sie
sind die Gefangenen ihrer Machtfülle und Traditionen. Sie wollen nicht
verstehen, dass sie sich ihrer größten Stütze berauben, indem sie die Kirche
schwächen. Damit sind auch die Tage der Könige gezählt. Nicht mehr lange und
das Volk wird sich gegen ihre Herrscher erheben. Das Gedankengut derer von Montesquieu,
Rousseau, Diderot und Voltaire trägt in Frankreich bereits Früchte. Dort wird
es beginnen, denkt an meine Worte. Doch sie wollen nicht sehen und sie
wollen nicht hören… “,
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