Das Hexenkreuz
Reederin wenig erfreute.
Offenbar witterte er bereits Unbill.
Er verbeugte
sich und berichtete mit knappen Worten, dass die Cassiopeia eben eingetroffen
wäre und die Handelsware - Gewürze und Rohrzucker - ordnungsgemäß am morgigen
Tag gelöscht werden würde. Sofort danach würde die neue Handelsware an Bord
gebracht werden. Die Cassiopeia konnte den Rückweg zu den Karibischen Inseln
ohne Verzögerung antreten. Emilia hatte seinem Bericht ruhig gelauscht. „Kapitän
Morales, ich benötige Eure Dienste“, verkündete sie ihm dann ohne Umschweife. „Zunächst
möchte Euch darüber in Kenntnis setzen, dass ich inkognito hier bin. Das heißt,
unter keinen Umständen darf meine Anwesenheit hier bekannt werden. Habe ich
Euer Wort?“
Wenn
Morales, der mit dem Hut unter dem Arm aufrecht vor ihr stand, diese Eröffnung befremdlich
fand, so ließ er sich nichts anmerken. Er neigte den Kopf zum Zeichen seines
Einverständnisses.
Emilia fuhr
fort: „Es gibt eine Änderung der Reiseroute. Die Cassiopeia wird nicht zu den
Karibischen Inseln zurückkehren. Wir segeln stattdessen zur amerikanischen
Ostküste, zum Hafen von Philadelphia. Er liegt meinen Besitzungen in North
Carolina am nächsten. Um keinen Verdacht zu erregen, werdet Ihr Eure üblichen
Entlade- und Beladungsroutine einhalten. Wir werden übermorgen beim ersten
Tageslicht an Bord gehen. Danach wird die Cassiopeia sofort in See stechen. Maestro
Donatus wird alles für unsere Ankunft an Bord vorbereiten. All dies muss unter
größter Geheimhaltung vonstatten gehen. Selbst Eure Mannschaft muss über die
neue Route in Unkenntnis bleiben. Ihr garantiert mir dafür. Für Eure
Verschwiegenheit werdet Ihr reich belohnt werden.“
Die ohnehin
sauertöpfische Miene des Spaniers hatte sich bei ihren Worten weiter
verdunkelt. Emilia sah es, doch sie konnte auf die Bedenken des Spaniers keine
Rücksicht nehmen. Dass ihm der Gedanke von Frauen und Kindern an Bord keine
Freude bereiten würde, war ihr bereits vorher klar gewesen. Doch sie war die
Reederin, ihr gehörte das Schiff. Ihre Augen und Haltung drückten dies
unmissverständlich aus.
Der Spanier
setzte mit großer Geste seinen Dreispitz auf und sagte gepresst zu Maestro
Donatus: „Ich erwarte Euch an Bord.“
Serafina sah
seiner langen hageren Gestalt nach. „Was für ein düsterer Bursche. Traust du
ihm?“
„Sergej hat
ihm vertraut. Das genügt mir. Außerdem ist er ein ausgezeichneter Seemann.
Unter seinem Kommando ist noch nie ein Schiff verloren gegangen. Komm, bringen
wir die Kinder zu Bett.“ Die beiden Freundinnen kehrten in den Speisesalon zu
den anderen zurück. Filomena hatte sich gegen die Überfahrt ausgesprochen. Sie
würde nach ihrer Abreise nach Rom zurückkehren und die Mädchenschule alleine
weiterführen. Emilia hatte ihr dafür ausreichend finanzielle Mittel zur
Verfügung gestellt. Der folgende Tag verging zäh. Donatus, Donna Elvira und
Serafina kümmerten sich um die letzten Reisevorbereitungen. Grigorowitsch trieb
sich am Hafen herum.
Emilia war
von Donna Elvira dazu verdonnert worden, im Haus zu bleiben. Donatus hatte in
weiser Voraussicht noch am Ankunftsabend alle Dienstboten für zwei Tage
beurlaubt. Emilia spielte mit den Kindern und hielt sich ansonsten im Portico
im zweiten Stock auf, von wo sie den besten Blick auf Stadt und Hafen hatte.
Seit in ihrem Entschluss, gleich morgen früh in See zu stechen, hatte sie es
beinahe erfolgreich geschafft, Francesco aus ihrem Herzen zu verdrängen. Sie
schalt sich eine Törin. Francesco hatte seinen Weg vor langer Zeit gewählt.
Nichts konnte ihn je davon abbringen. Selbst wenn er sie lieben sollte, so war
seine Abscheu vor dem Wesen der Frau unweit größer. Das Monster Beatrice hatte
an ihm ganze Arbeit verrichtet. Harrte ihrer nicht ein völlig neues Leben
jenseits des Atlantiks? Sie würde sich dort ihren Kindern widmen, erleben,
wie sie in Frieden und Freiheit aufwuchsen und vielleicht eines Tages selbst Kinder
bekommen würden. Sie sah sich bereits mit weißem Haar auf einer Bank im Garten
sitzen und dem munteren Spiel ihrer Enkel zusehen. Sie lächelte… Doch das
friedliche Bild verflüchtigte sich rasch. Auch wenn sie nicht mehr mit Francesco
rechnete, bangte sie dennoch darum, dass Emanuele rechtzeitig eintraf. Sie
hatte überdies einen Brief an ihren Vater verfasst, indem sie ihm alles
erklärte. Emanuele hatte ihr versprochen, ihm diesen persönlich zu überbringen.
Sie vernahm einen leichten Schritt. Filomena kam das
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