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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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Soldat
hatte den Kamm des kleinen Hügels erreicht und setzte ein langes Fernrohr an.
Aufmerksam suchte er damit die Gegend ab. Serafina und Emilia stellten das
Atmen ein. Nach einer Ewigkeit setzte er es ab und begab sich zurück zu der
Gruppe. Er schüttelte den Kopf. Nun kam Bewegung in den Tross. Doch anstatt
sich zu vereinigen, stoben die beiden Gruppen erneut in entgegengesetzter
Richtung davon.
    „Verdammt, die
haben uns glatt in die Zange genommen. Dem Herzog und seiner Mutter mangelt es wahrlich
nicht an Schläue“, konstatierte Emilia verschnupft.
    „Ja, das
Böse ist grundsätzlich schlau. Sie locken so die Dummen und die Schwachen in
ihre Fänge. Aber wir sind auch nicht auf den Kopf gefallen“, endete Serafina grimmig.
    „Was nützt
uns unsere Schläue, jetzt, da wir weder vor noch zurück können?“, erwiderte
Emilia verdrossen. Sie unterzog die Gegend einer gründlichen Prüfung und
erklärte dann: „Wir bleiben am besten hier, bis die Dunkelheit einsetzt.“
    Emilia
setzte sich auf den Felsen. „Meinst du, sie wissen, dass wir nach Rom unterwegs
sind?“
    „Sie werden
es zumindest vermuten. Piero wird sie wegen Emanuele darauf gebracht haben. Was
machen wir nun?“ Serafina wirkte angeschlagen
    „Da uns der
Zugang zur Via Salaria versperrt ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns quer
durch das Gebirge zu schlagen. Es gibt keinen anderen Weg.“
    „Ich habe es
ja geahnt, wir müssen wieder klettern“, kommentierte Serafina krötig. „Dabei
sind wir losgezogen, um endlich einmal etwas anderes zu Gesicht zu bekommen,
als diese ewigen Felsen…“, grummelte sie weiter.
    Da sie die
Stunden bis zur Dämmerung totschlagen mussten, streckten sie sich nebeneinander
aus. Kein Wölkchen trübte die blaue Pracht des Himmels. Serafina schloss die
Augen. Die Sonne schwamm wie ein orangefarbener Ball hinter ihren Lidern. Die
besondere Magie der Sonne hatte schon immer Anziehungskraft auf sie ausgeübt.
Dabei hatte sie die Sonne niemals als etwas Bedrohliches empfunden. Bis zu
diesem Augenblick. In einer jähen Eingebung begriff Serafina, warum die frühen
Kulturen die Sonne gleichermaßen als Gottheit verehrt und gefürchtet hatten ... Sol invictus , flüsterte Serafina. Unbesiegbare Sonne . Die alten
Römer hatten zu ihr gebetet, bis das Christentum auch diesen Glauben
verschlungen hatte.
    „Puh“,
entfuhr es ihr und Emilia meinte: „Endlich, du hast mindestens eine Stunde
geschlafen. Ist dir auch so komisch zumute? Ich glaube, wir haben uns einen
Sonnenstich geholt“ Emilia griff nach den Wasserflaschen und reichte eine ihrer
Freundin. „Serafina? Was ist denn los? Du machst so ein seltsames Gesicht.
Hattest du wieder eine Vision?“
    Serafina
rieb sich die schmerzenden Schläfen. „Nein, eher eine Erleuchtung. Ich habe
erkannt, wie viel Macht die Sonne tatsächlich über den Menschen besitzt. Die heutigen
Menschen sind überzeugt, dass nur sie die Wahrheit gepachtet haben. Was wäre,
wenn sie alle irrten? Wenn unsere Vorfahren Recht gehabt haben?“
    „Ich bin
nicht sicher, ob ich dir folgen kann. Wovon sprichst du?“ Emilia fragte sich
kurz, ob Serafina nicht doch einen Sonnenstich erlitten hatte.
    „Ich spreche
vom Gott der Christenheit“, antwortete Serafina. „Was wäre, wenn er nur eine
Erfindung der Menschen ist? Und die Sonne der wahre Gott? Wäre sie dann nicht
zornig auf die Menschheit, weil keiner mehr zu ihr betet?“
    Emilia legte
den Kopf schief. „Nun ja. Du stellst die älteste Frage der Menschheit. Wer
ist Gott? Ich kenne die Antwort nicht. Aber Emanuele scheint sie zu kennen.
Sein gesamtes Leben fußt darauf, dass es den einen Gott gibt. Das ist seine Wahrheit. Es würde mich sehr traurig stimmen, wenn Emanuele sein Leben
einem vollkommenen Irrtum geweiht hätte. Selbst wenn ich nicht an Gott glauben
würde, so würde ich zumindest ihm glauben. Aber ich denke, dass ich verstehe,
was du damit sagen willst: Etwas mehr Demut täte allen Christen gut.“
    „Kluge
Emilia!“
    Sie hielten
abwechselnd Wache, bis der Horizont sich zu röten begann und endlich in tausend
Flammen explodierte. „Die Farben Gottes“, murmelte Emilia bewegt. Emanuele
hatte es einmal so beschrieben. Serafina wollte aufstehen und ihre steif
gewordenen Glieder strecken, doch Emilia hielt sie mit einem leisen Ausruf
zurück. Ein verdächtiges Blitzen hatte sie alarmiert. Im gleichen Augenblick
verließen zwei Reiter eine kleine Baumgruppe unterhalb ihres Felsens und stoben
in wildem Galopp

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