Das Hexenkreuz
entgegen. Emilia fühlte sich durch die Blicke der ihr
fremden Frau unangenehm berührt. Waren die Menschen in Rom alle so
aufdringlich? Dieses ungenierte Verhalten war ihr bereits auf dem Weg durch die
Gassen Roms aufgefallen. Offenbar entsprach die Erscheinung des jungen
Edelmannes dem Geschmack der Dienstmagd. Sie lächelte Emilia kokett zu und
deutete bei ihrer Frage nach dem Wirt, auf einen Mann im hinteren Teil der
Gaststube. Von jenem war kaum mehr zu sehen als ein imposantes Hinterteil, da
dieser im Begriff stand, ein solides Eichenfass rückwärts in die Schankstube zu
rollen. Emilia trat entschlossen auf ihn zu. Der Mann richtete sich schwer
atmend auf und fuhr sich mit einem Geschirrtuch von zweifelhafter Hygiene über
die Stirn. Er begrüßte den vermeintlichen Gast mit einem jovialen Lächeln und
erkundigte sich eifrig nach dessen Wünschen. Emilia gab sich ihm als Freund
Emanuele di Stefanos zu erkennen und das Lächeln des Wirts verlor an Kraft. Er
warf einen seltsam prüfenden Blick über ihre schmalen Schultern hinweg, als
verdächtige er Emilia, einen Tross Höllenhunde hinter sich herzuziehen. Danach
ergriff er ohne weitere Umschweife ihren Arm, und verfrachtete die junge Frau
in ein separates Hinterzimmer. „Seid Ihr allein?“, erkundigte er sich dort.
"Nein.
Mein Begleiter wartet draußen.“
"Wartet
hier und rührt Euch nicht. Ich gehe ihn holen."
Bald darauf
kehrte er mit Serafina zurück. "Nehmt bitte Platz", forderte der Wirt
sie nun auf. "Ihr seid sicher hungrig und durstig. Ich lasse Euch sofort
etwas bringen, während Ihr auf Pater di Stefano wartet. Ich bitte Euch nur,
hier zu bleiben und den Schankraum vorerst nicht zu betreten. Mit Verlaub, je
weniger man Euch wahrnimmt, umso besser." Er verschwand und kehrte mit
einer mit Schinken und Käse beladenen Platte sowie einem Laib Brot zurück. Ihm
auf dem Fuße folgte ein schmächtiger Jüngling, der ein Tablett mit einem
irdenen Krug, Bechern und Essgeschirr balancierte. Er servierte mit ruhiger
Hand, wobei er es vermied, die Besucher direkt anzublicken. Nach getaner Arbeit
zog er sich sofort zurück.
"Greift
tüchtig zu", forderte der Wirt Emilia und Serafina auf. Er nahm den Krug
mit Wein und füllte ihre Becher bis an den Rand. „Versucht den Frascati. Er
stammt aus den Albaner Bergen vor den Toren Roms. Selbst der Papst trinkt
keinen Besseren!“ Nachdem er sich selbst einen tüchtigen Schluck gegönnt hatte,
fand er es an der Zeit, sich ihnen vorzustellen: "Mein Name ist Paolo
Piedegrande und ich heiße Euch im Namen von Pater di Stefano in Rom willkommen.
Seine Freunde sind auch meine Freunde!" Er prostete ihnen zu.
Serafina kam
der Wirt auf seltsame Art nicht ganz echt vor. Emilia schien ähnlich zu empfinden.
Trotz aller zur Schau getragenen Leutseligkeit konnten beide unter dessen
Oberfläche eine stete Wachsamkeit spüren. "Was hat es mit dieser
ungewöhnlichen Aktion auf sich, Meister Piedegrande?“, fragte Emilia
rundheraus. Ihrer Meinung nach hatte er ihre Geduld lange genug auf die Probe
gestellt. „Sprecht! Warum verbirgt sich Pater di Stefano? Er wird sich doch
keine Schwierigkeiten eingehandelt haben?"
"Nein,
beunruhigt Euch nicht, edler Herr. Leider kann ich Euch hierzu nichts weiter
sagen. Pater di Stefano wird sicherlich bald eintreffen und Euch alles selbst
erklären. Esst, der Schinken ist ein Gedicht.“ Er schnippte mit den Fingern.
„Meine Donna stellt ihn selbst her!" Er griff nach dem scharfen Messer,
das in der Platte steckte und schnitt für jede ein tüchtiges Stück herunter.
Trotz des verführerischen Duftes von Wacholder und Knoblauch, der ihre Nasen
kitzelte, verspürten die jungen Frauen keinerlei Appetit. Die Unruhe füllte
ihre Mägen und ungeduldig fieberten sie dem Eintreffen Emanueles entgegen. Sie
mussten lange warten. Erst am späten Nachmittag schwang die Tür auf. Emanuele strahlte,
obwohl er aus einer tiefen Schramme an der Wange blutete und sein Gewand
aussah, als hätte er sich im Straßenschlamm gewälzt. Schon flog Emilia in seine
Arme. "Gott sei gepriesen“, rief er aus und drückte sie an sich. „Ihr
tapferen Mädchen habt es tatsächlich geschafft!“ Er schob Emilia auf Armeslänge
von sich und betrachtete sie liebevoll. "Sieh dich bloß an, du
unverbesserlicher Wildfang! Jetzt sind deine Kleider ganz verdorben",
meinte er kopfschüttelnd.
"Pah“,
machte Emilia, „Als ob das jetzt eine Rolle spielen würde… Serafina und ich
haben uns furchtbare Sorgen um dich gemacht.
Weitere Kostenlose Bücher