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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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im Umkreis
ihre Aufwartung zu machen – , oder vielmehr sie zu belästigen, wie Vittoria
Emilia frech zuflüsterte. Emilia zählte mindestens vier verschiedene
Schönheitspflästerchen im Gesicht der Gräfin, plus eines auf ihrem ausladenden
Dekolleté, das die Form eines Segelschiffes aufwies.
    Francesco
saß der eleganten Tafel vor. Zu seiner Linken hatte man Serafina, Vater Mozart und
das Grafenpaar platziert, zur Rechten die Zwillinge, Vittoria und der
Wunderknabe. Zu Serafinas Erstaunen, die die Sprache selbst gut beherrschte,
parlierte Vittoria in deutscher Sprache mit ihm. Auch Francesco sprach die
Sprache fließend, Emanuele und Emilia ganz leidlich, da Serafina sie als Kinder
darin unterrichtet hatte.
    Die Gräfin
Aquaviva schien einen Narren an Emilia gefressen zu haben und saugte sich
förmlich an ihr fest. So erkundigte sie sich unter anderem, bei welchem
Schneider sie ihr Kleid habe anfertigen lassen und ob sich die Mode in Florenz sehr
von der in Rom unterschied? Emilia blieb keine Wahl, als auf ihre Fragen
einzugehen. Geschickt lavierte sie sich durch die Antworten. Dabei fand sie es
befremdlich im Beisein von zwei Priestern, das Blaue vom Himmel herab lügen zu
müssen. Vittoria bemerkte ihr Unbehagen und sprang für sie so oft es ging in
die Bresche. Die junge Principessa entfaltete ein wahres Feuerwerk an witzigen
Bonmots und Bemerkungen. Dank ihrer geriet die Unterhaltung nicht eine Minute
ins Stocken. Vittorias Rechnung ging auf. Die Gräfin fand kaum mehr eine Möglichkeit,
ihr Wort an Emilia zu richten. Vittorias muntere Art entzückte. Bei allem
Esprit offenbarten ihre Ausführungen eine tiefgehende Bildung. Emilia war
hingerissen von Vittorias Art und fand die junge Principessa absolut
faszinierend. Sie entsprach in keinster Weise dem Bild, das man ihr von dem
gebotenen Verhalten eines Mädchens von Adel gezeichnet hatte. In Assisi, wie
auch zuhause, hatte man sie gelehrt, dass Mädchen still und sittsam bei Tisch
zu sitzen hatten. Dem Manne zur Zierde. Wie oft hatte das ihre Tante
Colomba betont? Vittoria kannte in dieser Hinsicht keine Scheu. Sie drängte
sich auf charmante Art in den Vordergrund, ohne je aufdringlich zu wirken. Ohne
sie wäre das Essen nicht halb so amüsant verlaufen.
    Auch ihr
Bruder schien an ihrem Verhalten keinen Anstoß zu nehmen. Im Gegenteil: Emilia
konnte mehrmals beobachten, dass er seine Schwester mit einem liebevoll
nachsichtigen Blick bedachte, in dem keine Spur von Missbilligung lag.
Francesco schien seiner kleinen Schwester sehr nahe zu stehen. Sie selbst mühte
sich den ganzen Abend über, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch mehr als
einige höfliche und nichtssagende Floskeln konnte sie ihm nicht abringen. Zwar
antwortete er, wenn es ihr gelang, eine Frage an ihn zu richten, er ließ sich
aber auf kein Gespräch ein. Das kühle Verhalten des jungen Mannes verletzte sie.
Vermutlich kaute der stolze Francesco Colonna noch an der Peinlichkeit seines
Auftritts. Der Gedanke an ihre beiden ungewöhnlichen Begegnungen ließ sie
heftig erröten. Sie blickte zu ihrem Bruder, dessen lädierte Nase längst farbenfroh
leuchtete. Dabei hatte Emilia den Eindruck, dass er dem Ganzen die komische
Seite abgewann. Das versteckte Grinsen, das er während des Essens spazieren
führte, entging ihr keinesfalls. Ihr Bruder amüsierte sich augenscheinlich köstlich
über Francescos betretene Miene. Am Ende der Mahlzeit wurde ihnen eine
pechschwarze Flüssigkeit in winzigen Porzellan-Tassen serviert. Gipfel des
Luxus, hatte man die Tässchen vorher angewärmt. Ihr Inhalt verströmte einen
eigenwilligen und belebenden Duft. „Mmh, ist das Kaffee?“, rief Serafina
begeistert und reckte ihren Hals. Ihre Nasenflügel bebten kaum merklich.
    „Ja. Es gibt
nichts Besseres nach einem üppigen Mahl. Ich kann darauf nicht mehr
verzichten“, schwärmte Vittoria und schaufelte mit einem silbernen Löffelchen
Zucker in ihre Tasse. Sie trank, leerte sie mit zwei Schlucken und leckte sich
die Lippen.
    „Vittoria!“
Ihr Benehmen brachte ihr den ersten erkennbaren Tadel ihres Bruders an diesem
Abend ein. Vittoria brach in ihr bezauberndes Lachen aus und entblößte dabei
die winzige Lücke zwischen ihren beiden Schneidezähnen. Der junge Mozart
starrte sie hingerissen an.
    Emilia griff
nach der zierlichen Tasse und führte sie vorsichtig an ihre Lippen. Der Kaffee
schmeckte herb. Sie gab noch einen weiteren Löffel Zucker hinzu und widerstand danach
nur knapp der Verlockung, sich ebenfalls

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