Das Hexenkreuz
über ihre Lippen zu lecken.
Damit neigte
sich der Abend seinem offiziellen Ende zu. So schön er auch gewesen war, und so
sehr sie die Musik, das Essen und die Gesellschaft genossen hatte, brannte
Emilia auch darauf, endlich allein mit Emanuele zu sprechen.
Vater und
Sohn Mozart verabschiedeten sich als Erste. Der Knabe war sichtlich müde. Die
Aquavivas hingegen verfügten über eine gute Ausdauer und strapazierten die
Gastfreundschaft schamlos eine weitere Stunde. Endlich erhob sich die Gräfin
mit den Worten: „Der gute Augusto benötigt seinen Schlaf.“ Augusto fuhr erschrocken
aus seinem Nickerchen auf und Arm in Arm schwankten sie von dannen. „Meiner
Treu, ich dachte schon, sie würden sich hier häuslich niederlassen“, stöhnte
Vittoria und sprach damit allen Anwesenden aus dem Herzen.
Nachdem das
Paar entschwunden war, hatte Emilia angenommen, dass Francesco seine Schwester
ebenfalls hinausbitten würde. Doch zu ihrem Erstaunen geschah nichts
dergleichen. Offenbar hatten weder ihr Bruder noch Emanuele Geheimnisse vor
ihr.
Emilia
konnte ihre Neugier nicht länger zügeln. Mit einer ungeduldigen Bewegung wandte
sie sich ihrem Bruder zu: „Endlich allein. Nun verrate mir, warum du dich
gezwungen sahst, Serafina und mich im Geheimen abzufangen? Steckst du in
Schwierigkeiten?“
„Ich nicht
direkt, aber du. Damit könnte man aber auch sagen, wir“, lautete die kryptische
Antwort.
„Herrje
Emanuele, seit wann sprichst du in Rätseln?“, entfuhr es Emilia.
„Die
Angelegenheit ist tatsächlich kompliziert. Ich beginne daher besser ganz von
vorn. Vor allem darf das, was ihr nun erfahren werdet, diesen Raum unter keinen
Umständen verlassen. Es wäre gefährlich. Wie du weißt, Emilia, bin ich Jesuit
und werde bald die Priesterweihen empfangen. Doch mein Orden befindet sich in
einer prekären Lage. Tatsächlich steht die weitere Existenz des Jesuitenordens
auf dem Spiel.“
„Was
erzählst du da?“, rief Emilia ungläubig. „Der Jesuitenorden ist der mächtigste
Orden überhaupt! Ihr seid die Speerspitze Gottes. Hat nicht Papst Clemens XIII.
den Jesuitenorden mit einer päpstlichen Bulle extra bestätigt?“, erinnerte
Emilia ihren Bruder daran, was er ihr geschrieben hatte.
„Stimmt,
die Apostolicum pascendi munus . Clemens XIII. hat sie 1765 gegen den Widerstand der Könige
Frankreichs, Spaniens und Portugals erlassen. Doch dieser Papst, der uns seine
Solidarität versichert hat, ist vor einigen Monaten völlig überraschend gestorben.
Seitdem hat sich die Situation für unseren Orden zugespitzt. Schon vor Jahren
wurden wir in Portugal und Frankreich verboten. Hunderte unserer Brüder wurden damals
ermordet. Danach folgte unsere Vertreibung auch aus Spanien und den
Königreichen Neapel und Parma.“
„Aber warum,
um Himmelswillen, wollen diese Länder euren Untergang?“
„Ihre
Herrscher spielen das alte Spiel der Macht. Der Orden des heiligen Ignatius hat
sich im Laufe der Jahrhunderte zu viele mächtige Feinde geschaffen“, erklärte Emanuele
ernst.
„Ich wusste ja
nicht, dass es so schlimm steht“, erwiderte Emilia erschüttert. „Aber inwiefern
könnten die Schwierigkeiten eures Ordens mit mir zu tun haben?“
„Du wirst es
gleich verstehen. Wie erwähnt, starb Clemens XIII. völlig unerwartet. Unser
Pater General, Lorenzo Ricci, weilte noch am Vorabend bei ihm und konnte
feststellen, dass sich der Papst bester Gesundheit erfreute. Sie besprachen die
Kardinalskonferenz, die am nächsten Tag stattfinden sollte. Wenige Stunden darauf
hieß es plötzlich, Clemens XIII. wäre gestorben. Sein unerwarteter Tod kam
gewissen zersetzenden Kräften äußerst gelegen: Der Papst verschied ausgerechnet
wenige Stunden vor der Konferenz, die über die aktuelle Lage der Kirche und des
Jesuitenordens bestimmen sollte. Wir sind überzeugt davon, dass der Papst von
den Feinden des Jesuitenordens ermordet wurde. Das schlägt den Bogen zu dir,
liebste Schwester. Zu diesen Feinden des Ordens zählen der Herzog von Pescara
und insbesondere die Herzoginmutter Beatrice.“
Emilia
verschlug es die Sprache. Auch Serafina schnappte hörbar nach Luft. Endlich
flüsterte Emilia: „Was sagst du da? Der Mann, dem ich durch Pieros Verrat
versprochen wurde, könnte in ein Komplott zur Ermordung des Papstes verwickelt
sein? Heilige Madonna…“
„Natürlich
haben der Herzog oder seine Mutter hierbei nicht selbst Hand angelegt. Aber
mein Freund Francesco und ich sind uns sicher, dass sie die Verschwörung
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