Das Hexenmal: Roman (German Edition)
gelassen. Bereits nach wenigen Minuten musste der Arzt wieder gehen. Was war nur los mit ihr? Hatte Münzbacher Recht? Hatte sie seit dem Tod ihres Bruders tatsächlich jeglichen Lebenswillen verloren?
Friedrich ging in seiner Wohnstube wie ein Tier im Käfig auf und ab, als ihm Besuch gemeldet wurde.
Erstaunt ließ er die Besucher eintreten und blickte verwundert den fremden Mönch und den Milchmann an.
Kurz darauf packte er hastig alles zusammen, was ihm wichtig erschien.
»Wir müssen getrennt zum Teich gehen, sonst fallen wir auf«, meinte Milchkarl. Die beiden anderen nickten.
»Lasst mich zuerst gehen. Auf mich wartet er schließlich …«
Friedrich Schildknecht und der Milchmann stimmten zu und folgten dem Mönch jeweils nach einigen Minuten.
»Clemens!«, flüsterte der Arzt erschrocken und zugleich glücklich, den Freund noch am Leben zu sehen, als er am Ufer des Teichs angekommen war.
Karl wandte den Kopf ab. Der alte Mann weinte nicht nur aus
Freude. Schockiert sah er auf die Brandverletzungen des jungen Arnold. Welch unvorstellbare Schmerzen er aushalten musste!
Friedrich packte Tinkturen und Salben aus und schickte den Mönch los, mehr Adlerfarn zu holen. Zwar hatte der junge Arzt noch nie einen Kranken mit solchen Verbrennungen gesehen, doch sein Studium war umfangreich gewesen, und so wusste er, was zu tun war.
Clemens zitterte wie Espenlaub. Seine Zähne klapperten aufeinander, und er stöhnte bei jeder Berührung erbärmlich auf. Rasch gab Friedrich dem Freund einen Trank, der ihm die Schmerzen nahm und ihn schläfrig machte. Benommen ließ er daraufhin die Behandlung über sich ergehen.
»Es war schlau von ihm, sich an den Teich zu schleppen. Der feuchte Morast hat den Körper und vor allem das Gesicht vor dem Austrocknen bewahrt und gekühlt«, sagte Friedrich.
Nachdem alle Wunden versorgt waren und man Clemens in trockene, kühlende Leintücher gepackt hatte, schleppten die Männer ihn mit vereinten Kräften tiefer in den Wald.
»Wir müssen einen Unterstand bauen, damit er bei Regen nicht nass wird.«
Friedrich schüttelte den Kopf.
»Er kann nicht hierbleiben. Leicht würde er Wölfen oder anderem gefährlichen Wild zur Beute fallen.«
»Er kann zu mir«, schlug Karl vor. Kurz überlegte der Arzt.
»Nein, das ist auch zu gefährlich. In deiner Gegend könnte der Meuchelmörder zuerst nach Hinweisen suchen.« Entrüstet wollte der Alte dem Arzt widersprechen, doch Friedrich sah ihn entschuldigend an.
»Nicht jeder ist Clemens gut gesinnt. Manch einer würde ihn für eine Belohnung verraten. Wenn bekannt wird, dass Clemens lebt, wird man außerdem wissen wollen, wer im Grab liegt. Dass Clemens etwas damit zu tun hat, ist durch seine Verbrennungen offensichtlich … Wir müssen zuerst herausfinden,
was sich zugetragen hat, nur so können wir ihm helfen. Das Ganze ist ziemlich verworren, und wir müssen sehr vorsichtig sein. Burghard, du musst Augen und Ohren offenhalten. Als Mönch kannst du dich am unauffälligsten im Ort bewegen. Du, Karl, kommst auch außerhalb des Städtchens zu den Gehöften und erfährst dort alles Neue. Wir haben keine andere Wahl … Clemens kommt zu mir. Dort kann ich ihn versorgen. Sobald es dunkel wird, holen wir ihn hier ab.«
Seit einer Woche war Clemens nun im Zimmer des Arztes versteckt. Verließ Friedrich den Raum, schloss er die Tür hinter sich ab und nahm den Schlüssel stets mit. Auf die Fragen des Vaters und der Haushälterin erklärte er, dass er wichtige Studien durchführe. Die empfindlichen Gerätschaften, in denen sich die Flüssigkeiten befanden, dürften von niemandem berührt werden. Nach dieser Erklärung fragte keiner mehr, und Friedrich fühlte sich sicher.
Täglich trafen sich der Mönch, der Milchmann und der Arzt kurz, um Neuigkeiten auszutauschen. Tatsächlich hatten die Dingelstedter einen Fremden beobachtet, der die nahe Umgebung abzusuchen schien. Außerdem stellte er den Leuten seltsame Fragen. Wollten sie den Grund wissen, bekamen sie keine Antwort, sondern ein Geldstück in die Hand gedrückt. Die Beschreibung des Mannes hätte auf viele passen können.
»Das ist sicherlich der Mörder, den Münzbacher angeheuert hat. Wenn Clemens nur erzählen könnte, was sich in dieser schicksalhaften Nacht tatsächlich zugetragen hat …«
Fragend sahen der Mönch und Milchkarl den Arzt an.
»Er schläft die meiste Zeit und wird nur wach, wenn ich seine Wunden versorge, die übrigens gut abheilen … Ich brauche
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